Pressereferat des Bayrischen Kriegsministeriums
Das Pressereferat des Bayrischen Kriegsministeriums war vom 1. August 1914 bis 19. November 1919 eine Behörde des bayrischen Staates, welche während des Ersten Weltkrieges die Informationskontrolle (Zensur) nach Maßgabe des Artikel 4 Ziffer 2 des bayrischen Kriegszustandsgesetzes ausübte.[1]
In den Stellvertretenden Generalkommandos in München, Würzburg und Nürnberg war jeweils eine Abteilung P mit der Zensur beschäftigt.
Vor dem ersten Weltkrieg wurden presserechtliche Aufgaben des Bayrischen Kriegsministeriums durch das Rechtsreferat wahrgenommen.
Aufgaben
Der Aufgabenverteilungsplan von Oktober 1918 nennt folgende Aufgaben der Sektion Presse des Bayrischen Kriegsministeriums:
- Presseaufsicht, Durchsicht der bayrischen, nichtbayrischen und Auslandspresse auf Äußerungen über Angelegenheiten der bayrischen Militärverwaltung und dienstliche Übermittlung dieser Äußerungen an die Abteilungen und Referate des Kriegsministeriums.
- Landtagsberichterstattung
- Zensur von Presseerzeugnissen und bildliche Darstellungen jede Art.
- Einfuhr- und Ausfuhrtätigkeit von solchen.
- Verbote und Beschlagnahmen.
- Zensur und Genehmigung von Vorträgen und Versammlungen.
- Alldeutsche Bewegung
- Friedensbewegung.
- Störungen des Burgfriedens.
- Stimmung in der Heimat.
- sonstige allgeme politische Angelegenheiten.
- Zensur von Auslandsbriefen, soweit sie Artikel für die Auslandspresse enthalten.
- Privatsammlung von Feldadressen.
- Verlustlisten und Statistiken.
- Gutachten über Annahme und Widmung von Druckschriften und Bildern.
- Kriegsberichterstatter.
- militärische Theaterstücke.
- Buchhandlungs- und Ausstellungswesen.
- Frontreisen und Frontbesuche.
- Begutachtung beziehungsweise Vertretung der Interessen der Presse und des Buchhandels in jeder Beziehung.
- Bearbeitung von Notizen, Artikeln und Aufsätzen für die Presse.
- Gesamter Verkehr des Kriegsministeriums mit der Presse.
- Auskunftsstelle für Jugendaufklärung.
- Aufklärung im Besatzungsheer.
Leitung des Referates
Mit der Kriegserklärung wurde im bayrischen Kriegsministerium ein Pressereferat geschaffen und Alfons Falkner von Sonnenburg zum Referenten ernannt.
Personal
In der Öffentlichkeit wie auch im Kriegsministerium verkörperte der Pressereferent die Zensurstelle des bayerischen Kriegsministeriums. Gleich zu Beginn des Krieges fand die personelle Zusammensetzung des Pressereferates durch ihren „zivilen Einschlag“ , wie es die Münchner Neuesten Nachrichten formulierten, den Beifall der Presse [2] Berufssoldat war lediglich der Referatsvorstand Sonnenburg. Seine Verbindungen zur Presse rührten noch von seiner Tätigkeit als Militärberichterstatter her. Zu den ersten und engsten Mitarbeitern gehörte ein Berufsjournalist, Dr. Friedrich Karl MöhlW von den Münchner Neuesten Nachrichten, der neben einer juristischen Ausbildung auch über nationalökonomische Kenntnisse verfügte. [3] Das juristische Element war durch einen Finanz- und Bezirksassessor Dr. Franz Schwarzmaier vertreten. Für wissenschaftliche Fragen stand ein Hochschullehrer zur Verfügung. Die Zahl der im Pressereferat beschäftigten Zensoren schwankte zwischen 9 im ersten Kriegsjahr und 15 gegen Ende des Krieges.
Als Zensoren waren in dem Zeitraum von 1915 bis 1918/19 tätig:
- Franz Schwarzmaier: 4. 2.1915-30.11.1918, Jurist
- Gustav Schmetzer: 12. 3.1915-17.11.1918,
- Otto Engelhard: 20.9.1915-17.11.1918, rer. pol.
- Otto Boecker: 20.10.1915-13.1.1919, Jurist
- Fritz Besold: 12.11.1915-8.5.1919, Jurist
- Armin Renner: 1.5.1916-17.11.1918,
- Karl Semmelmann: 16.3.1917-4.10.1918; Jurist
- Franz Düll: 15.5.1917-11.1918, Jurist
- Martin Kauffmann: 15.5.1917-17.11.1918, Jurist
- Rudolf ReeberW: 5.6.1917-19.11.1918, Jurist
- Walter von RummelW: 20.12.1915-15.1.1919, Jurist
- Horst Wolfram GeisslerW: 10.9.1917-19.11.1919, Dr. phil.
- Hans NorisW: 9.9.1918-17.11.1918, Architekt
- August Wisbeck, : 10.10.1918-17.11.1918,
- Walter Antz: 3.1918-10-1918, Jurist
Die Vielfalt der zensurellen Aufgaben stellte besondere Anforderungen an die Ausbildung und Fähigkeiten der Zensoren. Ihr Aufgabengebiet umfasste die Prüfung militärischer Nachrichten naturwissenschaftlicher und technologischer Abhandlungen, historischer, politischer und auch literarischer Arbeiten.
Alle Mitarbeiter waren Heeresangehörige, die wegen einer Diensttauglichkeit im Pressereferat Verwendung fanden.
Vom April 1917 findet sich eine von Sonnenberg verfasste Bestimmung über die Bedingungen für die Mitarbeit im Pressereferat, in der er festlegte: [4]Die Bewerber müssen Juristen und bayerische Staatsbeamte sein. Sie müssen Gewandtheit in Gabelsberger Stenographie, militärische und politische Urteilsfähigkeit, klare Ausdrucksweise, sicheren Takt und besondere Zuverlässigkeit besitzen. Sie dürfen im politischen Parteileben nicht hervorgetreten sein und keinerlei wirtschaftlichen Sonderinteressen besitzen. Nach fast dreijähriger Zensurpraxis kam der Referent zu der Überzeugung, dass für die Verwendung im Pressereferat nur solche Personen in Betracht kamen, die gleichzeitig Offiziere des Beurlaubtenstandes, Juristen und bayerische Staatsbeamte waren. Sie mussten Offiziere des Beurlaubtenstandes sein wegen der militärischen Kenntnisse und wegen des häufig anfallenden dienstlichen telefonischen Verkehrs mit den dem Kriegsministerium untergebenen stellvertretenden Generalkommandos, die häufig an Nichtoffiziere keine Auskunft erteilten. [5] Die Mitarbeiter sollten Juristen und bayerische Staatsbeamte sein, weil häufig rechtliche Fragen in die Referatsarbeit hineinspielten; auch brachten erfahrene Staatsbeamte nach Meinung Sonnenburgs leichter die erforderliche formelle Gewandtheit und Vertrautheit im Umgang mit behördlichen Einrichtungen und dem gesamten Staats- und Wirtschaftsorganismus mit. Die starke Betonung des juristischen Elements in der Ausbildung der Mitarbeiter war auch durch die Eigenart des bayerischen Kriegszustandsgesetzes gegeben, welches forderte, dass jede zensurelle Anordnung oder Streichung irgendwie in Verbindung mit Artikel 4 Ziffer 2 des Kriegszustandsgesetzes gebracht werden musste. Der Grundsatz, dass die Mitarbeiter der Zensurbehörde keinerlei politische und wirtschaftliche Sonderinteressen besitzen durften, womit Politiker, Journalisten, Industrielle, Gutsbesitzer und ähnliche Berufe von vornherein ausschieden, war wiederholt von den Berliner militärischen Stellen nachdrücklich zur Beobachtung empfohlen worden, und der Pressereferent des bayerischen Kriegsministeriums hat ihn übernommen. Das entscheidende Kriterium für die Verwendung im Pressereferat des Kriegsministeriums war und blieb die juristische Vorbildung, die allerdings bei genauer Betrachtung des Aktenmaterials nur begrenzt zum Tragen kam. Auffallend ist vielmehr, dass sich das Pressereferat trotz seines vorwiegend juristisch geschulten Personals in allen Fragen, in die juristisch Argumente hinsichtlich der Anwendung des Artikels 4 Ziffer 2 des Kriegszustandsgesetzes hineinspielten, an die Rechtsabteilung des Kriegsministeriums wandte, die auch vor der Einrichtung des Pressereferates alle die Presse betreffenden Fragen erledigt hatte. [6]
Unter den in den ersten Kriegstagen einberufenen Mitarbeitern des Pressereferates befand sich der Journalist Friedrich MöhlW von den Münchner Neuesten Nachrichten. Durch seine Verwednung im Pressereferat erhoffte sich der Referent in jenen Anfängen der Zensur einen günstigen Einfluss auf die Beziehungen zwischen Presse und Zensurbehörde des Kriegsministeriums.[7] Doch schon bald verzichtete man auf Möhl's Mitarbeit. Seine Anwesenheit hatte zu einer Polemik gegen das Pressereferat geführt.[8]
Beobachter und Berichterstatter über die Verhandlungen der Nationalversammlung
Seit dem 12. September 1917 gehörte zum Mitarbeiterstab des Pressereferates der Schriftsteller und Romanautor Horst Wolfram GeisslerW.[9] Geissler war Germanist. Für den von Geissler zu übernehmenden Aufgabenbereich waren weder juristischen noch militärische Erfahrungen notwendig. Neben der reinen Zensurtätigkeit betreute das Pressereferat auch die Aufklärungsarbeit im Besatzungsheer. [10]Im Zuge der Intensivierung eben jener Aufklärungstätigkeit zur Hebung der Stimmung nahm Sonnenburg die Gelegenheit wahr, seinen Mitarbeiterstab zu vergrößern. Geissler wurde zunächst dem Aufklärungsoffizier als Hilfskraft zugeteilt. Seine Aufgaben bestanden im wesentlichen darin, den Versand und später das Redigieren des Aufklärungsmaterials zu betreuen. Horst Wolfram Geissler wurde der jüngste Mitarbeiter im Stabe Sonneburgs. Sonnenburg entsandte Geissler, der in Weimar aufgewachsen war, als Beobachter und Berichterstatter über die Verhandlungen der Nationalversammlung.
Sonnenburg sah die Entsendung eines eigenen bayerischen Beamten nach Weimar als eine den Interessen Bayerns dienende Notwendigkeit an . Er schrieb[11] In Anbetracht der gesamten politischen Lage kann es keinen Zweifel unterliegen, dass die bevorstehenden Verhandlungen der Deutschen Nationalversammlung – nicht nur über die staatsrechtliche Stellung Bayerns im Reich, namentlich die sehr wesentlichen Verhandlungen über die Art und Weise, in der im Zukunftsstaate die Heeresverhältnisse überhaupt grundsätzlich geregelt werden sollen – überaus beachtenswert sein werden. Die gleichen Gründe also, die zur Zeit der Abordnung eines Offiziers des Pressereferats zu den bayerischen Landtagsverhandlungen maßgebend waren, werden auch für eine Berichterstattung aus dem Nationalversammlungsparlament vorhanden sein. Vom 6. Februar bis zum 21. Februar 1919 (Ermordung Kurt Eisner) berichtete Geissler dem Leiter der Pressesektion Sonnenburg über die Verhandlungen der Weimarer NationalversammlungW. Seine telefonischen Berichte dienten dem Referenten dann als Unterlage für die Unterrichtung Eisners.[12]
Aufräumen der Aktenlage
Die Mehrzahl der Mitarbeiter Sonnenburgs schieden noch 1918 aus dem Dienst des Ministeriums aus.
Mit vier Mitarbeitern widmete sich Sonnenburg vom Mai bis September 1919 der Durchsicht und Ordnung – wie es in den Akten heißt - der Referenzakten. Inwieweit dieser Ordnungsvorgang der Grund für eine gewissen Lückenhaftigkeit im Aktenbestand darstellt, kann nicht festgestellt werden.[13]
Beurlaubtenstatus
Der Pressereferent wandte sich Interesse einer Kontinuierlichen Arbeit gegen jeden Wechsel seiner Mitarbeiterschaft, Entgegen dem allgemeinen Grundsatz, dass gesundheitlich wiederhergestellte Offiziere zu ihrem Truppenteil zurückkehren mußten, beließ man dem Referat die einmal eingearbeiteten Mitarbeiter. [14] In den Akten findet sich nur ein Fall, in dem einer der Mitarbeiter von sich aus die Rückkehr zu seinem Truppenteil betrieben hat. Dieses äußerst korrekte Verhalten rief bei den übrigen Mitarbeitern Erstaunen hervor. In den schriftlichen Erinnerungen des 25.07.1939–23.03.1945 Polizeipräsidenten von Ludwigshafen, Walter Antz (* 19. Juni 1888 in Kaiserslautern, † 15. Juli 1955 in Ansbach), sind bestimmte Stimmungen im Pressereferat deutlich zu erkennen.[15] Nach 6 monatiger Tätigkeit im Pressereferat stellte sich Antz noch im August 1918 wieder zum Dienst bei der Truppe zur Verfügung. Auf dem Hintergrund der allgemeinen Kriegsmüdigkeit verwundert die von ihm beschriebene Reaktion und Stimmung der Referatsmitglieder kaum. In den persönlichen Erinnerungen heißt es:[16] Meine freiwillige Meldung zur Front wurde in München von allen Bekannten ziemlich einheitlich beurteilt: Man hielt mich für verrückt. … Selbst Offiziere meiner Dienststelle im Kriegsministerium hatten eher ein spöttisches Lächeln für mich als Verständnis. Bei manchen war das allerdings begreiflich.; denn sie saßen schon erheblich lange ohne sichtbares Gebrechen in dessen unantastbaren Räumen. Einer sagte mir:“Es ist überhaupt höchste Zeit, dass wir den Krieg beenden. Was wollen denn unsere Feinde von uns. Sie wollen doch nur , dass wird , den Kaiser beseitigen“; Sobald wir das tun, haben wir unsere Ruhe und Frieden!“ So hatte die gegnerische Propaganda die Köpfe vernebelt. Unüberhörbar klingen hier die gegensätzlichen Haltungen des Truppenoffiziers und dem als Verwaltungsbeamten“ fungierenden Offizier des Ministeriums an. Der Truppenoffizier handelte noch in den letzten Kriegsmonaten im vollen Bewußtsein seiner Offizierspflichten. [17] Die im Kriegsministerium gleichsam als Verwaltungsbeamte fungierenden Offiziere hatten offenbar für diese dem Offizierskodex entsprechende Haltung nur noch Spott übrig. Verhalten klingt auch der Kommentar Sonnenburgs zu dem Antrag seines zeitweiligen Mitarbeiters. [18] Mit der Bemerkung, er stelle sich dem Antrag nicht entgegen, verband er den Hinweis, der Oberstleutnant Antz habe sich als Aufklärungsoffizier hervorragend bewährt und geistige Initiative gezeigt. [19] Sollte auch der Leiter der Zensurstelle an dieser Haltung im stillen Kritik geübt haben ? Er fügte sich ohne jeden Widerspruch dem Ausscheidn von Antz – wohin gegen er sich sonst vehement gegen die Entfernung fähiger Mitarbeiter wandte. Der persönlichen Ausstrahlung Sonnenburgs könnten sich offenbar nur wenige Mitarbeiter entziehen.
Das bayerische Heer in der Bismarkschen Reichsverfassung
Die verfassungsrechtlichen Sonderstellung des bayerischen Heeres innerhalb der Bismarkschen Reichsverfassung erklärt die Haltung des Pressereferates im bayerischen Kriegsministerium gegenüber der bayerischen Presse einerseits und den Reichsstellen andererseits. Die spezielle Eigenart der bayerischen Zensur lag darin, dass die rechtliche Grundlage ihrer Tätigkeit nicht - wie in den übrigen Reichsstellen - auf Reichsrecht, sondern auf bayerischem Landesrecht basierte. Unter Berufung auf die NovemberverträgeW des Jahres 1870 und die bestehenden Rechtsverhältnisse verstand sich das bayerische Kriegsministerium auch während des Krieges als völlig unabhängige, oberste Verwaltungs- und Kommandobehörde; es beanspruchte daher für die bayerischen Gebietsteile die vollkommene Eigenständigkeit und Verantwortlichkeit des Zensurwesens. Die Rechtsabteilung des Kriegsministeriums interpretierte daher grundsätzlich im folgenden Sinne: [20] Das bayerische Heer nimmt auf Grund des Versailler Bündnisvertrages v. 23.11.1870 eine Sonderstellung ein. Es bildet einen in sich geschlossenen Bestandteil des deutschen Heeres mit selbständiger Verwaltung unter der Miltärhoheit Seiner Majestät des Königs von Bayern. An diesem Rechtszustand wird auch durch die Mobilisierung des bayerischen Heeres nichts geändert. Denn das bayerische Heer bleibt auch im Kriege rechtlich ein geschlossener Bestandteil des deutschen Heeres unter der ausschließlichen Militärhoheit Seiner Majestät des Königs und unter selbständiger Verwaltung. Infolge der Mobilisierung tritt das bayerische Heer, soweit es mobil wird, nach dem Versailler Vertrag allerdings unter den Befehl Seiner Majestät des Kaisers; allein Seine Majestät der Kaiser wird hierdurch für die bayerischen mobilen Truppen auch im Kriege nicht Bundesfeldherr im Sinne der Reichsverfassung, da Art. 63 ff RVU auch im Kriege für die bayerischen Truppen nicht gelten, er führt lediglich vertragsgemäß den Oberbefehl . Daraus folgt dass sich der kaiserliche Oberbefehl auf die immoblien Truppen nicht erstreckt, dass alle aus der Militärhoheit fließenden Rechte Seiner Majestät des Königs auch den mobilen Truppen gegenüber uneingeschränkt bestehen bleiben und dass der bayerische Kriegsminister der Obersten Heeresleitung nicht untersteht vielmehr Organ Seiner Majestät des Königs von Bayern ist, nur von diesem Befehle entgegenzunehmen hat und außer der staatsrechtlichen Verantwortlichkeit nur Seiner Majestät dem König verantwortlich ist. Den Ausgangspunkt jeder Diskussion über die bayerischen Sonderrechte bildete der Artikel 68, der in Verbindung mit den Schlussbestimmungen zum XI. Abschnitt der Reichsverfasung zu sehen war und folgendes bestimmte [21] Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Teil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlass eines die Vorausetzungen , die Form der Verkündung und die Wirkung einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten dafür die Vorschriften des preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Gesetz, Sammlung für 1851, S. 451 ff.) Die Schlussbestimmung zu Abschnitt XI besagt aber: Die in diesem Abschnitt enthaltenen Vorschriften kommen in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnisvertrages vom 23. November 1870 (Bundesgesetztblatt 1871, S. 9) unter III, § 5 ..., zur Anwendung. Damit waren jene Reservatrechte gemeint, die Bayern als Mitglied des Deutschen Reichs ein bestimmtes Maß an Eigenständigkeit sicherten.[22] Sah scih die bayerische Regierung im Laufe des Krieges veranlaßt, die bayerische Sonderstellung zu verteidigen, so verwies sie grundsätzlich auf die folgenden Bestimmungen der Novemberverträge: [23] "§ 5 Die Artikel 61 bis 68 finden auf Bayern keine Anwendung." Die weiteren Detailbestimmungen der Novemberverträge lauten: Das bayerische Heer bildet einen in sich geschlossenen Bestandteil des Bundesheeres mit selbständiger Verwaltung, unter der Militärhoheit Seiner Majestät des Königs von Baye4r; im Kriege - und zwar mit Beginn der Mobilisierung - unter dem Befehle des Bundesfeldherren ... . Die Anordnung der Kriegsbereitschaft (Mobilisierung) des bayerischen Kontingentes oder eines Teiles desselben erfolgt auf Veranlassung des Bundesfeldherren durch Seine Majestät den König von Bayern. Unter § 5 IV wurde festgelegt: " Im Kriege sind die bayerischen Truppen verpflichtet, dem Befehlen des Bundesfeldherren unbedingt Folge zu leisten." Paragraph 7 bestimmte schließlich: Die in den vorstehenden §§ 1 bis 6 enthaltenen Bestimmungen sind als integrierender Bestandteil der Bundesverfassung zu betrachten. In allen Fällen, in welchen zwischen diesen Bestimmungen und dem Texte der Deutschen Verfassungsurkunde eine Verschiedenheit besteht, haben für Bayern lediglich die ersteren Geltung und Verbindlichkeit. Über den Umfang der bayerischen Eigenständigkeit im Rahmen der Bismarkschen Reichsverfassung bestanden jedoch schon vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges unter den deutschen Staatsrechtsgelehrten erhebliche Meinungsverschiedenheiten. So stellte Paul LabandW im Jahre 1888 fest: [24] Die staatsrechtliche Natur des deutschen Heeres ist bekanntlich Gegenstand einer großen Kontroverse, welche nicht nur mit Lebhaftigkeit in theoretischer Erörterung geführt wird, sondern welche auch in der Praxis der Verwaltungsbehörden und selbst in den Urteilen der Gerichte Schwankungen und Widersprüche hervorruft. Diese Kontroverse ist durch die unklare und widerspruchsvolle Fassung des XI., das Reichskriegswesen betreffenden Abschnittes der Reichsverfassung verschuldet, ja man kann sagen mit Notwendigkeit hervorgerufen worden. Ansatzpunkt der Auseinandersetzung war die Frage, ob das deutsche Heer als ein Reichsheer oder lediglich als ein Kontingentheer zu betrachten sei. Max von SeydelW, ein Verfechter der föderativen Auslegung des Staatsrechts stellte kategorisch fest: „... das Reichsheer ist überhaupt ein Contignentheer.“ Er bemerkt jedoch zu seiner These:“Es ist dies eine der bestrittensten gleichwohl m.E. eine der zweifellosesten Sätze des deutschen Staatsrechts“[25] Wesentlich vorsichtiger äußerte Paul LabandW die Ansicht, „dass das Reichsheer aus den Contingenten der Einzelstaaten zusammengesetzt, seine Einheit eine militärisch-technische und politische, aber keine staatsrechtliche“ sei. [26] Auch Laband weist auf den Widerspruch, den eine Deutung hervorrief, hin. Jene Juristen „erkennen die innere Einheit des Heeres, die ausschließliche Militärhoheit des Reiches als das oberste Prinzip an, die „Gliederung“ des Heeres in Contigente diene nur administrativen Zwecken.“[27]
Die kontroversen Anschauungen veranlaßten den Kieler Ordinarius Friedrich Brockhaus (Jurist)W, die umstrittene Frage einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Seine Antwort lautete unzweideutig:[28] … es gibt nur ein ungeteiltes deutsches Heer, und dies ist ein Reichsinstitut … Von einer Militärhoheit der deutschen Einzelstaaten läßt sich in keinem Sinne reden … Weder in Frieden noch im Kriege ist die bayerische Armee ein Machtmittel des bayerischen Staates in völkerrechtlicher Hinsicht. Trotz dieser Sonderstellung ist sie während des Friedens nur im Reiche, durch das Reich und für das Reich möglich, während des Krieges nichts als ein Grad am großen Körper des deutschen Heeres. Dieses Ergebnis entsprach den Vorstellungen und Auffasungen der nationalen und reichsfreundlichen Parteien. Paul Labands Anschauung, die eine Mischung unitarischer und föderalistischer Elemente enthält, wurde dem Problem zum damaligen Zeitpunkt wohl am ehesten gerecht. Sie erfährt durch Ernst Rudolf HuberW eine gewisse Bestätigung: Lediglich das bayerische Kontingent war kraft der mit Verfassungsrang ausgestatteten Bestimmungen des Novembervertrages in Friedenszeiten eine unter eigener Militärhoheit stehende, im übrigen aber dem Reichsheer eingegliederte Armee. Im Kriegsfall verlor auch sie kraft der automatisch auflebenden kaiserlichen Befehlshoheit diesen begrenzten Sonderstatus. Die Einheit des Reichsheeres gewann in der entscheidenden Situation somit vorbehaltlose Aktualität. Da souverän ist, wer im existenziellen Grenzfall das höchste Entscheidungsrecht besitzt, ergab sich aus der für den Kriegsfall verfügten Unterstellung des bayerischen Kontingents unter die kaiserliche Befehlsgewalt, dass die Reichsgewalt mit voller Souveränität gegenüber allen deutschen Ländern ausgestattet war. Die Bismarksche Reichsverfassung enthielt in diesem Punkte keinen dilatorischen Kompromiss, sondern eine echte Entscheidung. Während sie den bayerischen Sonderwünschen für die Normalsituation weithin Rechnung trug, sprach sie für den Einzelfall eine klare Dezision zugunsten der Reichsgewalt aus. Die Sonderstellung des bayerischen Heeres innerhalb des gesamten Reichsheeres scheint zwar generell sehr stark ausgeformt zu sein; bei genauer Betrachtung des gesamten Vertragswerkes zeigt sich jedoch, dass im Kriegsfall diese Sonderstellung de facto stark eingeschränkt war in ihrer Wirkung fast ausschließlich auf die Friedenszeit begrenzt. Diese Auffassung prägte wohl auch die Einstellung der Reichsstellen gegenüber den bayerischen militärischen Behörden im Kriege. Bezeichnenderweise klammerte sich jedoch das Bayerische Kriegsministerium bei der Auslegung der Novemberverträge an die Interpretation des rein föderalistisch eingestellten Juristen Max von SeydelW . Bei seinen Versuchen, die militärische Selbstständigkeit auch im Kriege zu wahren, bediente sich das bayerische Kriegsministerium gelegentlich sehr eigenwilliger Auslegungen, die jedoch der vertraglichen Grundlage entbehren. Es unterteilte die bayerische Truppen in immobile und mobile, und nur für die mobilen Truppen, also jene, die im Felde standen, sollte der kaiserliche Oberbefehl gelten [29] Allein im gesamten Vertragswerk findet sich nirgendwo ein Anhaltspunkt, der eine solche differenzierende Auslegung rechtfertigen könnte. Vielmehr spricht der Vertragstext nur von „der Gesamtheit der bayerischen Truppen“ oder „des bayerischen Heeres“.[30]
Münchener Post
Bayrischer Eisenbahnerrevers
In einer längeren Note vom 16. Februar 1915 bat Verkehrsminister Lorenz von SeidleinW den Kriegsminister Philipp von HellingrathW, zensurell gegen die Angriffe aus der Presse vorzugehen, da sie geeignet seien, das Vertrauen in die Staatsregierung zu gefährden. Der Kriegsminister lehnte die Bitte seines Kollegen ab. Der Kriegsminister wies ausdrücklich darauf hin, dass sich die Behörden in dieser Art von Auseinandersetzungen mit den zur Verfügung stehenden pressegesetzlichen Mitteln zur Wehr setzen müßten. Er sprach sich gegen jede Ausnahmebehandlung der sozialdemokratischen Presse aus. Die einseitige Verhängung der Präventivzensur über die sozialdemokratische Münchener Post sei allein schon deshalb ein Ding der Unmöglichkeit, weil sich die sozialdemokratische Partei während des Krieges genauso vaterländisch verhalten habe wie jede andere Partei. Der Minister betonte vielmehr, eine bewußte Nachsicht gegenüber den Presseäußerungen zum Eisenbahnerrevers, die sich für eine Gleichberechtigung ihrer Parteiangehörigen einsetzen, sei durchaus am Platze; mit dieser Feststellung verband Kreß den Hinweis, dass diese vom Kriegsministerium geübte Praxis sich in voller Übereinstimmung mit den Zielen der Obersten Heeresleitung und der Reichsleitung befinde. [31] In seiner Antwortnote wies der Verkehrsminister von Seidlein am 23.3.1915 darauf hin, dass er weder eine Ausnahmebehandlung der sozialdemokratischen Presse gefordert habe noch die Verhängung der allgemeinen Präventivzensur für angemessen halte. Allerdings betonte er ausdrücklich, auch die Sozialdemokratie und ihre Parteiorgane müßten sich dieselbe Zurückhaltung auferlegen, wie die übrigen Parteien. Am 19. April antwortete der Kriegsminister auf die Ausführungen mit einer längeren Darlegung der Richtlinien, nach denen die militärisch Zensur gehandhabt werde. Diese Antwortnote wie auch seine früheren Darlegungen zu dieser Frage, hatte er auch seinen Ministerkollegen noch einmal zugeleitet.[32] Er betonte eingangs die volle Übereinstimmung der Münchner Zensurpraxis mt den Richtlinien der Obersten Heeresleitung und den preußischen Zensurstellen. Demnach war eine Erörterung des Standpunktes durchaus zulässig. Für die Münchner Zensurstelle bedeutete dies, dass sie auch eine Kritik am Bayrischen EisenbahnerreversW nicht ohne weiteres unterbinden durfte. Der Minister betonte daher, die Zensur könne erst in dem Augenblick eingreifen, da durch die Kritik am Revers die Staatsinteressen gefährdet würden. Deutlich versuchte hier der Kriegsminister eine Trennungslinie zwischen den Staats- und Regierungsinteressen zu ziehen, wenn er weiter ausführte, diese Staatsinteressen seien nun nicht identisch mit einem vor dem Kriege praktizierten innenpolitischen System, weil „gegenüber der Erhaltung des inneren Friedens und der Kraft und Geschlossenheit unseres Volkstums als den obersten Staatsinteressen alle anderen Interessen zurückzutreten haben“. Eine deutliche Spitze enhielt seine zusätzliche Bemerkung:“Presseäußerungen, die weder hiergegen, noch gegen die Interessen der Landesverteidigung verstoßen, müssen demnach von der militärischen Zensur unbeanstandet bleiben, auch wenn sie der einen oder anderen Behörde unbequem sind.“[33] Zur Behandlung der sozialdemokratisch eingestellten Bediensteten äußerte der Minister den Gedanken, dass durch ein nicht vorbehaltloses Anerkennen der Leistungen ein wesentlich größerer Schaden angerichtet werde. Dem fügte er noch hinzu, dass sich auch das Kriegsministerium gegen unrichtige Angriffe nicht mit dem Mittel der Zensur wehre, sondern sich der Presseberichtigung bediene. Der Verkehrsminister verzichtete nach diesen Ausführungen offenbar auf eien weiteren Briefwechsel, jedenfalls fand sich in den Akten keine weitere Antwort auf die Ausführungen des Kriegsministers.
München-Augsburger Abendzeitung
Ende des Jahres 1916 griff die Zensur mit eigenen Lenkungsmaßnahmen ein, um eine weitere Ausbreitung der alldeutschen Agitation durch ein Presseorgan zu unterbinden. Im Laufe des Krieges hatte sich auch die München-Augsburger AbendzeitungW mehr und mehr zu einem Sprachroh der AlldeutschenW entwickelt. Angesichts des starken Einflusses, den die Zeitung sowohl auf ihren vornehmlich aus Beamten, Offizieren und Geistlichen bestehenden Leserkreis, wie auch auf die kleinen Provinzblätter ausübte, glaubte der Pressreferent, dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen zu dürfen. Er stellte einen seiner langjährigen und zuverlässigen Mitarbeiter, den Berufsjournalisten Dr. Friedrich Karl MöhlW , zur Leitung der Münchner-Augsburger-Abendzeitung ab.[34] Offiziell hieß es, Dr. Möhl sei von seiner Tätigkeit im Pressereferat beurlaubt worden, „um auf Einladung des Bruckmann Verlages die Hauptschriftleitung der M.A.A. zu übernehmen“. Die ursprünglich nur für eine Vierteljahr geplante Beurlaubung wurde mehrfach mit der ausdrücklichen Zustimmung Sonnenburgs verlängert, weil, wie der Pressereferent bemerkte:“... die Annäherungsversuche kanzlerstürzischer alldeutscher Kreise an die Leitung des M.A.A. noch nicht aufgehört“ haben. Mit der Übernahme der Hauptschriftleitung durch Möhl am 1. Januar 1917 verlor die Zeitung in ihrem politischen Meinungsteil jeden kanzlerstürzerischen Charakter. Aber auch derart geschickte Züge des Pressreferenten schreckten die alldeutschen Anhänger nicht voer weiteren Versuchen, publizistisch an Boden zu gewinnen, zurück. Der Pressereferent hielt daher ein Verbleiben Möhls bei der Zeitung „für ein Gebot der politisch dringenden Notwendigkeit“. Auch Möhl wies in einem weiteren Schreiben an den Pressereferenten auf die Notwendigkeit seines weiteren Verbleibens aus Hauptschriftführer der Zeitung hin[35] Die Versuche das Blatt wieder auf die Seite der grundsätzlichen und fanatischen Gegner des Herrn Reichskanzlers zu ziehen und im extremen alldeutschen Sinne zu beeinflussen, werden fortgesetzt und es bedarf aller Wachsamkeit und Entschiedenheit, das Steuer unentwegt in der Richtung zu halten, die für die Zukunft unseres engeren und weiteren Vaterlandes von verständigen Vaterlandsfreunden als die einzig gedeihliche anerkannt ist. Die Verbindung Möhls zur Münchner Zensurstelle und seine Tätigkeit beid er Münchener-Augsburger-Abendzeitung war denn doch zu offensichtlich, als dass ein derartiger Schritt der Zensurstelle hätte unbemerkt bleiben können. Die Augsburger Postzeitung wied unverhohlen auf die Querverbindung hin und äußerte die Ansicht: “Es gilt hier vielenorts als sicher, dass der Verlag der Mü. A. Abendzeitung von außen (hier Berlin – München) veranlaßt wurde, den „alldeutschen Geist“ seines Blattes zu wechseln.[36] Die Vermutung der Zeitung, die Berliner Zentralstellen hätten die Berufung Möhls zur München-Augsburger-Abendzeitung betrieben, ist nicht zutreffend. Ein derart eindeutiger Eingriff in die Richtung einer Presselenkung ist von den Reichsstellen, soweit aus den bayersischen Akten ersichtlich ist, nie unternommen worden; wie überhaupt auf Reichsebene den alldeutschen Umtrieben grundsätzlich mit wesentlich mehr Geduld begegnet wurde. Dabei mag die Überlegung bestimmend gewesen sein, diese an sich als „patriotisch“ angesehenen Kreise nicht zu stark zu verstimmen, auch wenn deren Aktivitäten hin und wieder ehrer belastend angesehen wurden. In München, der Hochburg der Kanzlersturzbewegung, waren zweifellos strenge Maßnahmen seitens der Zensurstellen erforderlich. Darüberhinaus wirkte sicherlich auch die eindeutig ablehnende Haltung Sonnenburgs gegenüber den extrem konservativen alldeutschen Vorstellungen nach und setzte so in Bayern schärfere Akzente. Auch die Vermutung der Augsburger Postzeitung über den angeblichen Nachfolger Möhls im Pressereferat, sie nannten einen Redakteur der Münchner Neuesten Nachrichten, waren unzutreffend. Sonnenburg wandte sich nach der Beurlaubung Möhls gegen die nochmalige Kommandierung eines Berufsjournalisten, auch wenn es sich um einen Reserveofffizier handelte, in das Pressereferat. In enger Anlehnung an die Richtlinien des Chefs des Kriegspresseamtes, Major Walter Nicolai, sollten die Zensurbehörden auf die Mitarbeit berufständischer vertreter verzichten:[37] Presseleute, besonders Angestellte und Beamte einer politischen Tageszeitung, sind in der Regel politisch nach einer bestimmten Richtung hin festgelegt und auch wirtschaftlich von dem Zeitungsverlage, als ihrem Brotgeber abhängig. Es wird daher seit langer Zeit so ziemlich im ganzen Reich davon abgesehen, Preßfachleute in den Zensurstellen einzuberufen, schon um den Schein von Parteilichkeit zu vermeiden. Mit dem Hinweis auf die „wertvollen Dienste“ Möhls in der ersten Kriegszeit verband Sonnenburg jedoch die Feststellung, auf den Rat eines Pressefachmannes könne er in Zukunft verzichten, „weil Referent selbst den technischen und redaktionellen Betrieb der Presse und deren wirtschaftlichen Verhältnisse aufs genaueste kennt“. Derartige Hinweise auf die souveräne Beherrschung des eigenen Geschäftsbereiches sind typisch für Sonnenburg. Die Überstellung Möhls als Hauptschriftleiter der München-Augsburger-Abendzeitung kam dem Pressereferenten aus zwei Gründen äußerst gelegen. Möhl als Hauptschriftleiter der Zeitung, bildete sozusagen den verlängerten Arm der Münchner Zensurbehörde und er leitete die Zeitung im Sinne des Pressereferenten. Gleichzeitig erreichte der Referent aber auch die Entfernung des einzigen Berufsjournalisten aus seinem Mitarbeiterstab, der sich dann entsprechend den Sonnenburgschen Vorstellungen vorwiegend aus Verwaltungjuristen, zumindest aber Staasbeamten zusammensetzte. Sonnenburg war somit der einzige Kopf im Referat der über detaillierte Kenntnisse in dem gesamten Pressebereich im Münchner Raum verfügte.
Bayerischer Verein für Frauenstimmrecht
Die Auseinandersetzung um das Frauenwahlrecht hatte im Vereinigten Königreich gewalttätige Formen angenommen (Prisoners (Temporary Discharge for Ill Health) Act 1913W) trotzdem verfolgten beide Parteien während des ersten Weltkrieges eine Burgfriedenspolitik. In Bayern beschränkte sich die Burgfriedenspolitik auf national gesinnte karitative Frauenorganisationen.
Die Mitgliederzahlen von Frauenvereinigungen stiegen im Ersten Weltkrieg. Ein damit verbundenes höheres politisches Gewicht beschränkte sich auf den privaten Bereich, da Frauen aus der politischen Öffentlichkeit ausgeschlossen waren.
Eine Denkschrift des Pressereferates widmete dem Phänomen „Frauenbewegung“ ein Kapitel. Eine Beunruhigung und Radikalisierung der Frauenwelt würde auch für die Landesverteidigung, im Sinne der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, eine echte Gefahrenquelle darstellen. In der Denkschrift wurde zwischen den national gesinnten Frauenorganisationen, die sich auf eine rein karitative Tätigkeit beschränkten, und jenen, die präzisse politische Ziele verfolgten, unterschieden. Zu den letztgenannten gehörte der “Verein für Frauenstimmrechte“ sowie der „Bayerische Verein für Frauenstimmrecht“. Letzteren bezeichnete die Denkschrift als den gefährlichsten, weil dort die schärfste internationalistische Tonart vorherrsche. Der naheliegenden Tatsache, dass aus Kreisen der weiblichen Bevölkerung der Widerstand gegen den Krieg am ehesten laut wurde, begegnete die Behörde mit erstaunlichem Unverständnis. Der wachsende Widerspruch zwischen den sich ständig steigenden Anforderungen an die Frauenwelt und ihre weiterhin bestehende politische Rechtlosigkeit, mussten zwangsläufig zu einem Unruhefaktor werden. Naheliegend und unausbleiblich war daher auch schon die existierende Verbindung zwischen der von Ludwig Quidde geleiteten Friedensbewegung und dem Verein für Frauenstimmrecht. Gerade die politisch orientierten Frauenorganisationen boten sich als ein ideales Verwirklichungsfeld für den Gedanken des Pazifismus an. Die Verbindung der beiden Strömungen bedeutete eine weitere erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, im Sinne der Erhaltung einer einheitlichen, geschlossenen öffentlichen Meinung. Die militärische Zensur versuchte die pazifistische Strömung in der Frauenwelt mit zensurellen Mitteln zu unterbinden.
Das Kriegsministerium erließ bereits am 23. November 1915 gegen die Vorsitzende des Münchner Vereins für Frauenstimmrecht, Lida Gustava HeymannW, das erste Auftrittsverbot.[38] Gerade gegenüber Fräulein Heymann reagierte die Behörde mit besonderer Strenge, weil sie bei dieser Dame die Verbindung zwischen pazifistischer und feministischer Bewegung realisiert sah. Am 6. März 1916 wurde ihr jede pazifistische Tätigkeit untersagt. Da sie nun mehrfach gegen die Anordnung des Ministeriums verstieß und auch Kontakte zum Ausland zu knüpfen suchte, wurde ihr am 11. Februar 1917 der Aufenthalt in Bayern untersagt. Auch gegenüber weniger radikal ausgerichteten Vertreterinnen der Frauenbewegung legte die Zensurbehörde recht strenge Maßstäbe an. So lehnte sie den Aufsatz „Kriegspsychologie vomn Standpunkt der Frau“ von Dr. Helene StöckerW ab. Die Zensur begründete ihre Entscheidung damit, dass gegen den Krieg ausgerichtete Ausführungen besonders geeignet seien, bei der weiblichen Bevölkerung missverstanden zu werden und so den Willen zum Standhalten ernstlich zu gefährden. Jeder aufkommende Widerstand gegen die aus militärischen Gründen notwendigen Maßnahmen bedeutete eine Gefährdung der Interessen der Landesverteidigung. Aufschlussreich dokumentierte die abschließende Bemerkung des Zensors das mangelnde Verständnis für die Ursachen der anwachsenden Beunruhigung in der Frauenwelt, die ihre Artikulation in den Aktivitäten der Vereine fand, Der Zensor schrieb:[39] abgesehen davon ist in einer Zeit, in der das deutsche Volk um sein Dasein kämpft, die einseitige Hervorhebung weiblicher Gefühle und Interessen in öffentlichen Vorträgen doch wohl nicht am Platz. Der Zensor übersah völlig, dass mit der Heranziehung dieses Personenkreises zu Kriegsaufgaben auch konsequenterweise die Frage der politischen Gleichberechtigung akut werden musste.[40] Auffallend zeigt sich hier die unterschiedliche Behandlung politischer Fragen durch die staatliche Behörde. Gegenüber der Sozialdemokratie galt seit Kriegsbeginn der Grundsatz, dass mit der Integrierung der Sozialdemokratie in den Staat, ihr auch zwangsläufig die politische Gleichberechtigung zugestanden werden musste. Gegenüber der Frauenbewegung wurde diese notwendige Konsequenz verkannt. Im Frühjahr 1916, am 6. März, erließ das Kriegsministerium für die Münchner Friedensvereinigung und den Bayerischen Verein für Frauenstimmrecht ein Versammlungsverbot, das sich auf öffentliche wie private Zusammenkünfte erstreckte, weil die pazifistische Werbetätigkeit ein Ausmaß angenommen hatte, das die Sicherheit nach Ansicht der Behörde gefährdete. Den Vereinen wurde jede Werbetätigkeit, die unmittelbar oder mittelbar pazifistischen Bestrebungen diente, sowie die damit verbundene schriftliche Auslandskorrespondenz verboten. [41] Die Ausreise war nur mit Genehmigung der militärischen Stellen möglich. Wehrüberwachung Am gleichen Tag verhängte das Kriegsministerium noch ein persönliches Schreibverbot über Ludwig QuiddeW und seine Frau Margarethe QuiddeW, Wilhelm Herzog, Lida Gutava Heymann und andere aktive Persönlichkeiten der Münchner pazifistischen Bewegung. Friedrich Wilhelm FoersterW blieb von dieser Maßnahme ausgenommen. [42] Vor allem versuchten die Militärbehörden, ein Übergreifen der pazifistisch-feministischen Bewegung auf die in ländlichen Gebieten tätigen Lehrerinnen zu verhindern. Auf Grund ihrer gehobenen sozialen Stellung in den kleinen Gemeinden besaßen gerade die weiblichen Angehörigen des Lehrerstandes bedeutende Einflussmöglichkeiten, die sich nicht nur auf die schulpflichtige Jugend, sondern auch auf die in Kriegszeiten vorwiegend unter weiblicher Führung stehenden Landwirtschaftlichen Betriebe erstreckten. Unumwunden wurde in der Denkschrift vom 2. November 1915 festgestellt: Ein Versagen der Frauenwelt auf dem Lande, in deren Händen heute größtenteils die Wirtschaftsführung liegt, könnte das wirtschaftliche Durchhalten des Krieges in Frage stellen, ganz abgesehen von der lähmenden Wirkung, die bei den engen Wechselbeziehungen zwischen Front und Heimat ein Nachlassen der Opferfreudigkeit der daheimgebliebenen Frauen auf die Stimmung der Truppen im Feld ausüben müsste. Das Ministerium des Inneren für Kirchen- und Schulangelegenheiten sah sich deshalb veranlasst, das weibliche Lehrpersonal in einem besonderen Schreiben vor der Gefährlichkeit des Pazifismus zu warnen.
Julius Friedrich Lehmann
In München entstanden im März 1916 zwei Kriegszielprogramme, die von bayerischen Annexionisten unterschrieben waren.[43] Unter dem Titel Richtlinien für Wege zu einem dauerhaften Frieden fand diese Denkschrift als Flugblatt Verbreitung. Die Zensurbehörde bezeichnete die Richtlinien als eine unzulässige Kriegszielerörterung im Sinne der Annexionisten. Darin wurde ebenfalls die Angliederung Belgiens an das deutsche Reich gefordert, sowie die Übernahme der politischen Vertretung nach außen, die Annexion der französischen Grubengebiete, die Angliederung der Ostseeprovinzen und der südlich anschließenden Gouvernements an das deutsche Reich und schließlich die Gewinnung von Flottenstützpunkten gegenüber der englischen Küste. Der Aufruf fand, wie schon gesagt, in Form eines Flugblattes in ganz Bayern Verbreitung. Beigefügt war ein Formular für die Zustimmungserklärung zu einer Eingabe an den Bundesrat und den Reichstag. Die Unterzeichner waren 91 Persönlichkeiten aus allen Gesellschaftskreisen Bayerns. Professoren, Beamte, Politiker, Vorstände von Parteien und wirtschaftlichen Verbänden mit Ausnahme der sozialdemokratischen. Allein elf Mitglieder der Abgeordnetenkammer zählten zu den Unterzeichnern. Am Kopf des Blattes war der Vermerk angebracht: „Streng vertraulich!“ Nicht zum Abdruck in der Presse bestimmt. Als Handschrift gedruckt, München, März 1916“, Entgegen den Vorschriften des Reichspressegesetzes, hier § 6, enthielt das Flugblatt nicht den Namen des Druckers. [44] Die Zensurbehörde brachte in Erfahrung, dass der Verlag Julius Friedrich Lehmann Lehmann die Versendung dieses Kriegszielprogrammes betrieben hatte. Die beigefügten Zustimmungsformulare trugen noch den gedruckten Vermerk: „Zurück, wenn nicht anders angegeben ist, and Herrn Kommerzienrat Karl Stöhr (Architekt)W, München, Schwanthalerstraße 11 und ferner an den Julius Friedrich LehmannW's Verlag, München, Paul-Heyse-Straße 26“. Die Schrift war der Zensur nicht vorgelegt worden, obwohl seit dem Dezember 1915 auch die Drucker verpflichtet worden waren, Druckschriften, die noch nicht zensiert waren und ihren Inhalt nach unter die Zensurbestimmungen fielen, der militärischen Zensur vorzulegen. Das Pressereferat konstatierte daher, im Falle dieser Denkschrift habe sich der Drucker nicht nur nach § 6 des Reichspreßgesetz, sondern für den Fall, dass es sich um eine bayerische Druckerei handle, auch noch nach Artikel 4 Ziffer 2 des Kriegszustandsgesetzes strafbar gemacht. Am 22. Januar 1916 legte August RothpletzW dem Pressereferenten im Pressereferat, der Text des Flugblattes ohne die Unterschriften, datiert auf Februar vor und erklärte, dass er von Emil KraepelinW, einem der 90 Unterzeichner, ersucht worden sei, sich an der Unterzeichnung zu beteiligen. Dabei wies der Pressereferent den Besucher sofort darauf hin, dass sich der Drucker des Flugblattes bereits strafbar gemacht habe. Sonnenburg versuchte Rothepletz davon zu überzeugen, dass die „öffentliche Aufstellung derart weitgehender Kriegsziele schon an sich bedenklich sei, auf jeden Fall aber wegen der unausbleiblichen, leidenschaftlichen Gegenäußerungen der Annexionsgegner schädlich wirken werde“. Rothepletz verzichtete auf eine Unterzeichnung. Schon bald konnte die Zensur aus einer Äußerung des bekannten Führers der Pazifisten Ludwig QuiddeW, entnehmen, dass die annexionistische Kriegszielpropaganda nich unbeachtet bleiben werden und dass sich für die Pazifisten die Frage beantworten werde „ob die Zensur mit gleichem Maß messe“. Die Zensurbehörde verfügte die Beschlagnahme der Denkschrift für ganz Bayern und regte gleichzeitig bei der Oberzensurstelle in Berlin eine Erstreckung dieser Maßnahme auf das ganze Reich an. In den Augen der Zensurbehörde bestand kein Zweifel daran, dass nur der Verleger Julius Friedrich LehmannW als Verbreiter der Denkschrift Richtlinien für Wege zu einem dauernden Frieden in Frage kam, und man mutmaßte, dass er auch den Drucker zur Verletzung des Reichspreßgesetzes angeestiftet hatte. [45] Lehmann, „der keine lüge und Hinterhältigkeit scheut, um die Militärbehörden zu täuschen um seine fanatische alldeutsche Agitation durchzusetzen“, wurde nun mit dem Hinweis auf Artikel 4 Ziffer 2 des Kriegszustandsgesetzes geboten, über den Drucker und den Hergang der Verbreitung der Flugschrift Auskunft zu geben. Am 24. April 1916 erstattete das Kriegsministerium Anzeige gegen den unbekannten Drucker wegen Herstellung und Verbreitung des Aufrufs. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein; es erwirkte die gerichtliche Beschlagnahmung und gleichzeitig die zeugenschaftliche eidliche Vernehmung des Verlegers Lehmann und des genannten Kommerzienrates Stöhr. Wie weit jedoch der Einfluss des alldeutschen Gedankenguts in den staatlichen Behörden reichte, zeigt der Bericht des Kriegsministeriums über die gerichtliche Behandlung des Falls. [46] Bei der Vernehmung schworen die Zeugen, „den Namen des Druckers nicht angeben zu können“. Ob sie ihn nicht kannten oder nicht angeben wollten, ging daher aus den Akten nicht hervor. Der Staatsanwalt nahm daraufhin mit einem der Unterzeichner des Flugblattes, dem Oberlandesgerichtsrat Wilhelm Rohrer, Rücksprache und versuchte, ohne richterliche Vernehmung den Namen des Druckers in Erfahrung zu bringen. In der Aussprache gewann nun der Staatsanwalt die Überzeugung, dass die Unterzeichner ohne gerichtliche Vernehmung den Namen des Druckers keinesfalls nennen würden und dass die beteiligten Persönlichkeiten sogar entschlossen waren, gegebenfalls ein Zeugnisszwangsverfahren über sich ergehen zu lassen. Angesichts dieser Situation regte nun der Staatsanwalt an, das Verfahren einzustellen. Bei seinem Antrag leitete vor allem auch die Erwägung, dass die zeugenschaftliche Vernehmung der Unterzeichner nur ein negatives Ergebnis zeitigen würde und dass die durch ein derartiges gerichtliches Verfahren hervorgerufene Erregung in den beteiligten Kreisen „mit der Folge politischer Erörterungen“ in den Parlamenten in keinem Verhältnis zu der begangenen Straftat und der zu erwartenden Straf stehen werde. Dem fügte der Staatsanwalt noch hinzu, dass der Inhalt des Flugblattes durch die Erörterung der Kriegsziele im Reichstag wie auch im Landtag, überholt sei.[47] In den Ministerialakten betonte der zuständige Sachbearbeiter, dass die Argumente des Staatsanwaltes fast ausschließlich politischer Natur seien. Nicht ohne den Ton der Erbitterung vermerkte Sonnenburg in einem Geheimvermerk zu der weiteren Behandlung [48] Eine Erfolgreiche Durchführung des Verfahrens würde eines vorraussetzen: den Willen der beteiligten Justizbehörden, ohne Angaben der Person und er Partei vorzugehen. Dieser Wille scheint in so weitgehendem Maße zu fehlen, dass es das Beste sein dürfte, auf die weitere Verfolgung der Sache zu verzichten. Auch die Art und Weise , in welcher der Ermittlungsrichter das Verfahren geleitet hatte, ließ Sonnenburg den Vorwurf erheben, dass die Art der Zeugenaussagen mit durch mangelnden Willen oder Fahrlässigkeit erklärbar sei. So hatte der Kommerzienrat Stöhr eidlich versichert: „... Ich kan den Drucke nicht bezeichnen“ …“ wer aber der Drucker des Aufrufes ist, kann ich nicht angeben und Lehmann hatte ebenso geäußert:“.. Ich kann Namen des Druckers nicht angeben“. Die Zweideutigkeit und unleugbare Verschleierung, die in den Aussagenlag, mußten den Zensoren wie Hohn vorkommen. So vermißte der Pressereferent auch jegliche Bemühung des Ermittlungsrichters, die Vorgänge um die Entstehung der Denkschrift zu klären. Weiter fehlte jede Antwort auf die naheliegenden Fragen, wer die Versammlung, die mit der Denkschrift beschäftigt war, leitete, ob man einen Redaktionsausschuß eingesetzt hatte, wer verantwortlich die Verhandlungen mit dem Drucker geführt hatte und schließlich, ob über die Zensur geredet worden war. Das Protokoll des Ermittlungsrichters enthielt stattdessen nur zusammenhanglose Sätze, die für die Sache unerheblich, teilweise zweideutig und irreführend waren. So hatte Kommerzienrat Stöhr untere Eid erklärt: „Ich erhielt lediglich das Druckerzeugnis zugestellt!“ Tatsächlich wurde Stöhr aber auf dem Zustimmungsformular als diejenige Peson angegeben, an die die Zustimmungserklärungen eingesandt werden sollten. Daraus war nun logischerweise zu schließen, dass Stöhr sich hierzu bereit erklärt hatte und folglich auch einen Mitverfassers des Aufrufs gekannt und zu den Eingeweihten gehört haben mußte. Erst bei einer zweiten, nicht eidlichen Vernehmung durch den ersten Staatsanwalt gab Stöhr an:“Wer die Drucklegung zu besorgen übernahm und den Antrag hiezu erteilte, sowie bei wem der Aufruf gedruckt wurde, weiß ich nicht“. In dieser Form stellte die Bemerkung Stöhrs nichts anderes als eine Vormerkung des Staatsanwalts dar – sie war ohne jeden Beweiswert und auch von Stöhr nicht unterschrieben. Der bereits genannte Professor Kraepelin, der als Versammlungsleiter zweifellos über die Vorgänge Bescheid wußte, wurde weder richterlich noch staatsanwaltschaftlich vernommen. Stattdessen wählte der Staatsanwalt den nicht ganz üblichen Weg eines persönlichen, außerdienstlichen Gesprächs mit einem der Unterzeichner, Oberlandesgerichtsrat Wilhelm Rohrer. Seinen Bericht baute der Staatsanwalt auf der persönlichen Ansicht Wilhelm Rohrers, dass alle Beteiligten des Flugblattes gegebenfalls das Zeugnisszwangsverfahren über sich ergehen lassen würden, auf und beantragte die Einstellung des Verfahrens. Der Oberstaatsanwalt trat den Ausführungen des Staatsanwaltes vollinhaltlich bei. Die Fragwürdigkeit des staatsanwaltschaftlichen Berichts begann bereits damit, dass zu Beginn seiner Ausführungen die Behauptung stand, die Zeugen hätten bei ihrer eidlichen Vernehmung erklärt, den Namen des Druckers nicht zu kennen. Aus den Protokollen ging jedoch hervor, dass sie lediglich erklärten, den Namen nicht angeben zu können. Mit seiner ausführlichen Darlegung der politischen Bedenken versuchte der Staatsanwalt offensichtlich zu begründen, dass die Schwere des Mittels des Zeugniszwangsverfahrens in keinem Verhältnis stehe zu der Wichtigkeit des auf diesem Wege erstrebten Zweckes. Da außerdem die politischen Erörterungen des Staatsanwalts nur im Hinblick auf die Durchführung eines Zeugniszwangsverfahrens relevant waren, hätte man erwarten können, dass der Staatsanwalt diese Möglichkeit erst einmal akut werden ließ, also abwarten würde, ob einer der Zeugen bei einer richterlichen Vernehmung tatsächlich die Aussage verweigert hätte. Die abgegebenen Äußerungen von Stöhr und Lehmann stellten ja keine Aussageverweigerug das, sondern nur den geglückten Versuch einer Aussageverschleierung. Durch die Art dieses Vorgehens hatte der Staatsanwalt sämtlichen in Betracht kommenden Zeugen die Wahl zwischen Aussage und Zeugnisverweigerung erspart. Zudem basierte die staatsanwaltschaftliche Entscheidung primär auf der höchst subjektiven und von persönlichen und politischen Interessen beeinflußten Meinungsäußerungen des eventuellen Zeugen Wilhelm Rohrer und auf der „in den beteiligten Kreisen herrschenden herrschenden Erregung“. Im Normalfall wurde vor Gericht wohl kaum von der Ladung eines Zeugen abgesehen, nur weil Möglichkeit bestand, dass der Zeuge seine Aussage verweigern würde. Nicht zu unrecht bemerkte auch der Pressereferent, dass für den Einstellungs-Antrag des Staatsanwalts noch Zeit gewesen wäre, wenn Professor Kraepelin oder der Oberlandesgerichtsrat Wilhelm Rohrer bei einer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter tatsächlich ihre Aussage verweigert hätten. Erstaunlich blieb die Tatsache, dass diese beiden Zeugen vom Staatsanwalt nicht dienstlich vernommen worden wurden. Auch die politischen Bedenken des Staatsanwaltes entbehren nicht einer gewissen Fragwürdigkeit. Die durch die Anzeige des Kriegsministers in Gang gesetzte Strafverfolgung hatte vordergründig zumindest für die mit der Verfolgung beauftragten Justizbehörde, weder mit de Zensur noch mit der „angesprochenen politischen Komponente etwas zu tun“. Die Anzeige des Kriegsministeriums gründete auf der Verletzung des §6 des Reichspreßgesetz. [49] einer auch im Frieden allgemein gültigen presspolizeilichen Bestimmung. Auch der Hinweis auf die „in den beteiligten Kreisen herrschende Erregung“ erkannte die Zensurstelle“ nicht als Argument an. Der zuständige Sachbearbeitermeister konstatierte: Wer Offizialdelikte begehrt, hat auch stets Strafverfolgung zu gewärtigen und könne etwa vom Zaun gebrochenen „Zensurdebatten“ und aus patriotischen Motiven“ und zu Gunsten bestimmter Programme reichsgesetzliche Bestimmungen straflos solle verletzend dürfen, ist zwar die Ansicht einiger Fanatiker vom Schlage des Verlegers Lehmann, wird aber kaum die Billigung der Parlamente finden, die immer noch auf dem Standpunkt stehen, dass die Gesetze für alle gelten, und jede Partei – und Klassenjustiz verwerfen.
Rede Theobald von Bethmann Hollweg 5. April 1916
Der Hinweis des Staatsanwaltes auf die Rede des Reichskanzlers vom 5. April 1916 und auf seine Unterredung mit einem Journalisten sollte besagen, die Reichsleitung habe den Inhalt des Flugblattes im wesentlichen gebilligt. Das Pressereferat stellte dazu fest: “Eine solche Übereinstimmung kann nicht anerkannt werden“.[50]In der Rede des Reichskanzlers Theobald von Bethmann HollwegW vor dem Reichstag am 5. April nahm die deutsche Ostpolitik einen breiten Raum ein.[51] In der gesamten Presse im Reich von der „Kreuzzeitung“ bis zum „Vorwärts“, wurde diese Kanzlerrede als Bekenntnis zu einem entschiedenen Anexionismus im Sinne der Eingabe der sechs Wirtschaftsverbände vom März 1915 verstanden Auch die Sprecher der Parteien in der Reichstagsdebate unterstrichen, mit Ausnahme des Abgeordneten Hugo HaaseW[52] die Forderungen des Reichskanzlers, besonders im Hinblick auf Belgien. Sogar der Hauptsprecher der Sozialdemokraten, Phillip ScheidemannW, begrüßte die Befreiung Rußlands vom zaristischen Joch wie auch die Förderung des flämischen Bevölkerungsteils in Belgien. Auch er hielt eine Rückkehr zum status quo ante nicht mehr für möglich.[53]
Bedenkt man den politischen Standort des Pressereferenten nach dem Krieg, so verwundert dessen eigenwillige Interpretation der Behtmann'schen Rede, wonach sich der Kanzler gegen Annexionen ausgesprochen hatte. Entscheidend für die Einstellung der Zensurbehörde waren weniger diese politischen Überlegungen zur Bethmann Hollweg'schen Rede vom 5. April 1916 als vielmehr die praktischen Auswirkungen des Vorgehens der Justizbehörden im Zusammenhang der Denkschrift Richtlinien für Wege zu einem dauerhaften Frieden. Selbst für den Fall, dass die Entscheidung des Staatsanwaltes, das Verfahren einzustellen, als richtig anzuerkennen war, so befürchtete das Kriegsministerium, bei einer Einstellung des Verfahrens möchten die Pazifisten, dazu zählte er auch in diesem Zusammenhang die Sozialdemokratie, nun den Vorwurf erheben, es werde nicht mit gleichem Maß gemessen. Der zuständige Zensor bemerkte, dieser Vorwurf werde in der Öffentlichkeit wie auch in den Parlamenten an die Adresse der obersten bayerischen Militärbehörde gerichtet werden. Die Allgemeinheit erfahre nicht, in welchem Stadium und durch wessen Schuld das Verfahren worden sei. Für das Kriegsministerium ergebe sich die unangenehme Lage, entweder den unausbleiblichen Vorwurf der Pazifisten auf sich sitzen zu lassen, oder durch ihre Rechtfertigung im Landtag die Justizbehörde zu kompromitieren. Wenngleich der Pressereferent an seinen Einwänden gegen das Verfahren der Justizbehörde festhielt, so beantragte er doch die Einstellung des Verfahrens. Er stellte fest.[54] … dass bei der Stärke der Widerstands auf Seiten der Justizbehörden (parteipolitiche Sympahtine für die Unterzeichner des Aufrufs, persönliche Rücksichtnahme auf Oberlandesgerichtsrat Wilhelm Rohrer und auf andere einflussreiche, dem Aufruf nahestehenden Justizbeamte) etwaige Gegenvorstellungen doch nutzlos wären, gegen passive Resistenz ist nicht anzukämpfen. Das Verhalten der Justizbehörde im Fall des Flugblattes „Richtlinien für Wege zu einem dauernden Frieden“ sollte auf die Einstellung der militärischen Zensurbehörde in der Justiz eher eien Hemmschuh für ihr Wirken als eine Unterstützung.Zumindest in den Ministerialakten erhob der Referent gegenüber den Justizbehörden offen den Vorwurf der Parteilichkeit. Sonnenburgs personelle, politische Linie, die indem loyalen Verhalten der Zensur gegenüber dem Reichskanzler Bethmann hollweg ihren Ausdruck fand stieß offenbar bei einigen höheren Justizbeamten auf ein ernstes Hindernis, dessen sich der Pressereferent auch bei späteren Maßnahmen immer wieder bewußt war. Als überzeugten Föderalist suchte er mit allen ihm Gebote stehenden jenen Reichskanzler zu stützen, der die föderale Struktur des Reiches garantierte. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die nämliche Zensurbehörde sich auch für einen weniger föderalistisch eingestellten Kanzler mit der gleichen Intensität eingesetzt hätte. Hier spielte in Bayern das politische Eigeninteresse einen nicht zu unterschätzende Rolle. Auch die zweite Denkschrift mit 101 Unterzeichnern war weitgehend mit den Richtlinien für Wege zu einem dauernden Frieden identisch; dies galt auch für die Unterzeichner, wobei zu der zweiten zu bemerken ist, dass sie von Persönlichkeiten unterzeichnet wurde, die sonst nicht zur Kriegszielbewegung in München gezählt werden konnten, wie der Präsident Kammer der Abgeordneten (Bayern)W, Georg von OrtererW und der links-liberale Dr. Ernst Müller-MeiningenW, sowie der Verkehrsminister a.D. Heinrich von FrauendorferW.[55] Zu den Unterzeichnern beider Denkschriften gehörte auch der in München für die alldeutsche Propaganda besonders aktive Verleger Julius Friedrich Lehmann. Die beiden Programme vom März 1916 deuten schon darauf hin, dass sich zu diesem Zeitpunkt eine eigenständige Kriegszielbewegung in München herausgebildet hatte. Der Kreis der Unterzeichner war im Hinblick auf die politischen Standorte äußerst heterogen; dennoch bleibt festzustellen, dass bestimmte politische Fragen, wie die Kriegszieldiskussion, keinesfalls auf die alldeutschen Kreise beschränkt blieben. Wenn auch für Bayern festzustellen ist, dass gerade unter dem Einfluss der alldeutschen Vertreter die alldeutsch-annexionistische und später auch als Wegbereiter des Kanzlersturzes agierende Richtung in München besonders stark wirksam war. Diese extreme Richtung scheute auch von Anfang an nicht die Auseineandersetzung mit der Zensur. Insgesamt gesehen ging der stille Kampf zwischen den Alldeutschen und der Zensur häufig zu Ungunsten der staatlichen Behörde aus. Das Kriegsministerium sah sich daher veranlasst, die Verbote zur Kriegszielerörterung zu erneuern und zu verschärfen. Im Dezember 1915 erging an alle Drucker die Anweisung, alle Aufträge für jede Art von Vervielfältigung, deren Inhalt unter die Zensurbestimmungen fiel zunächst der zuständigen Zensurstelle zu Vorzensur vorzulegen.[56] Hinter diesem Erlass verbarg sich die Ohnmacht der militärischen Zensur gegenüber den politischen Gruppen verschiedenster Couleur. Vornehmlich suchte sie jedoch, auf diesem Wege de alldeutschen-annexionistisschen Publikationen Herr zu werden. Obwohl die Zensur unter Sonenburgs Leitung dieser Gruppe aus mannigfachen Gründen mit besonderer Strenge begegnete, hatte sie doch allzuoft das Nachsehen. Die zensurelle Behandlung der Claß'schen Denkschrift und des Verleger Julius Friedrich Lehmann Als ein charakteristischer Vertreter der alldeutschen Aktivitäten im Münchner Raum kann der Verleger angesehen werden. Noch im Dezember 1914 gab die Münchner Zensurbehörde entgengen den Bedenken des Preußischen Kriegsministeriums dem Julius Friedrich Lehmann Verlag „in Anbetracht der großen vaterländischen Verdienste, die sich die Firma Lehmann ohne Zweifel mit und durch Spendung von 10 000 Mk in bar … während des Krieges erworben hat“ die Druckerlaubnis für das geplante Taschenbuch der Luftflotten. [57] Bis zu diesem Zeitpunkt war die Zensurbehörde der politische Standpunkt des Verlegers offenbar nicht bekannt. Erst sein den spektakulären behördlichen Maßnahmen gegen die bekannte Denkschrift des Vorsitzenden des Alldeutschen VerbandesW Heinrich ClaßW wurdne die Zensoren des Kriegsministeriums auch auf die politische Aktivität Lehmanns aufmeksamt, der in seiner Eigenschaft als Verleger und Verbandsfreund von Claß keinen Schritt unterließ, um die Freigabe der Denkschrift zu erwirken [58]
Literatur
- Doris Fischer: Die Münchner Zensurstelle während des Ersten Weltkrieges. Alfons Falkner von Sonnenburg als Pressereferent im Bayerischen Kriegsministerium in den Jahren 1914 bis 1918/19. Phil. Diss., LMU München, Dissertationsdruck Schön, 1973 - 313 S. (Ref.angabe auskommentiert)
Fußnoten
- ↑ Historisches Lexikon BayernsW, KriegszustandBayerisches Kriegsministerium
- ↑ MNN Nr. 205 vom 23 April 1915, S. 4
- ↑ Dr. Friedrich Mühl wurde am 6. August 1914 in das Pressereferat berufen
- ↑ KA. Mkr. 13934, o. B. Datiert 3. April 1917
- ↑ ebenda Btr. Verwendung in der Pressesektion
- ↑ KA. Mkr. 865, Bl. 100, S.10
- ↑ Dr. Friedrich Möhl übernahm dann später die Leitung der Münchner Augsburger Abendzeitung, die in alldeutsches Fahrwasser geraten war. Vgl. dazu Kap. 5.1.1./. , S. 155ff.
- ↑ KA. Mkr. 17139, o.B., 13885, B. 179 c, 14021, o. Bl. Diese Akte ist einem der Hauptkontrahenten Sonnenburgs gewidmet. Als Hauptschriftleiter der Münchner Zeitung hatte Karl Graf von BothmerW an der Verwendung Möhls von den MNN Anstoß genommen.
- ↑ KA. Mkr. 13896, B. 85
- ↑ Die Aufklärung der Zivilbevölkerung ging vom Innenministerium aus
- ↑ KA. Mkr. 13934 o. Bl.
- ↑ Diese Ausführungen stützen sich auf die mündliche Aussage von Herrn Dr. Horst Wolfram GeisslerW, 8, München 90, Harthauser Straße 27b, gegenüber Doris Fischer am 5. August 1971
- ↑ Nach einer Aussage von Herrn Eberhard Falkner von Sonnenburg, dem Enkel des Pressereferenten, befand sich unter dem 1945 durch Kriegseinwirkung vernichteten Nachlass seines Großvaters auch wichtige Aktenstücke zu seiner Tätigkeit im Kriegsministerium
- ↑ KA. Mkr. 13900, B. 109.
- ↑ Walter Antz: Kriegserlebnisse. Das Manuskript befindet sich in dreifacher Ausfertigung im Besitz der Familie. Die Einsicht in die Erinnerungen ihres Vater gestattete freundlicher Weise Frau Traudel Siring, Neu-Ulm Elbestr. 12, am 4. August 1970. Den Schilderungen lagen Tagebuchaufzeichnungen und Briefe zugrunde. S. 1 der Kriegserinnerungen
- ↑ Walter Antz: Kriegserlebnisse. Das Manuskript befindet sich in dreifacher Ausfertigung im Besitz der Familie. Die Einsicht in die Erinnerungen ihres Vater gestattete freundlicher Weise Frau Traudel Siring, Neu-Ulm Elbestr. 12, am 4. August 1970. Den Schilderungen lagen Tagebuchaufzeichnungen und Briefe zugrunde. S. 448-449. Die Erinnerungen wurde 1935 verfaßt
- ↑ Als Charakteristikum für die aus der Zeit heraus geprägte Sicht und Beurteilung der Stituation kann auch die ebenfalls den Erinnerungen entnommene Bemerkung angesehen werden:“Dieses Gefühl der Überlegenheit war so stark dass es den Gedanken, wir könnten den Krieg verlieren, gar nicht aufkommen ließ, auch dann noch nicht, als die klare Vernunft das bittere Ende schon sehen mußte.“ ebenda .S 477
- ↑ KA. OP. 23198-=Personalakte Antz.
- ↑ Walter Antz hatte die Aufklärungsarbeit im Besatzungsheer in Vertretung für den Aufklärungsoffizier des Referatates übernommen. Die Erinnerungen enthalten auch Schilderungen aus den Tagen der Revolution in München. Ebenda S. 471-472
- ↑ K.A.Mkr. 1 B. 38. Datiert 27. Juni 1917
- ↑ Ernst Rudolf HuberW, Dokumente, Bd. 2, 1964 S. S. 304
- ↑ Vgl. Ernst Rudolf HuberW, Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd 3, 1963, S. 806 f. Zur Frage der Sonderrechte stellt Huber fest: "Die Sonderrechte waren entweder besondere Mitgliedsschaftsrechte oder besondere Hoheitsrechte einzelner Gliedstaaten. Nur die besonderen Hoheitsrechte waren also Sonderkompetenzen einzelner Länder unter Durchbrechung der sonst bestehenden Reichskompetenz." Dazu Otto Nirrnheim, Der Begriff des Reservatrechtes im Sinne der Verfassung des Deutschen Reiches; ArchÖffR Bd 25 (1909), S 579-631
- ↑ Vgl. auch zum folgenden Ernst Rudolf HuberW: Dokumente, Bd. 2, 1964 S. S. 265-267
- ↑ Paul LabandW: Die Einheitlichkeit des deutschen Heeres und die Contingentherrlichkeit, in AOR, Bd. 3 (1888) S. 491
- ↑ Max von SeydelW: Bayerisches Staatsrecht, Bd.6, 2. Abteilung, 1893, S. 505 f.
- ↑ Paul LabandW: Die Einheitlichkeit des deutschen Heeres und die Contingentherrlichkeit, in AOR, Bd. 3 (1888) S. 494
- ↑ Paul LabandW: Die Einheitlichkeit des deutschen Heeres und die Contingentherrlichkeit, in AOR, Bd. 3 (1888) S. 494
- ↑ Friedrich Brockhaus (Jurist)W: Das deutsche Heer und die Dontingente der Einzelstaaten 1888, S. 215-217
- ↑ KA Mkr. 1 Bl.38, Datiert 27. Juni 1917
- ↑ Textabdruck bei Ernst Rudolf HuberW : Dokumente, Bd. 2, 1964 S. S. 265-267
- ↑ KA. Mkr. 13862 Bl. 68 und 121
- ↑ KA. Mkr. 13862, Bl. 66, 69 und 126
- ↑ KA. Mkr. 13939, o. Bl. S. 3
- ↑ Die Berufung Dr. Möhls in das Pressereferat zu Beginn des Krieges ging auf eine Empfehlung seiner Standesorganisation, namentlich des Chefredakteurs der Münchner Neuesten Nachrichten, Dr. Martin Mohr, zurück. Als Lokalredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten gehörte Dr. Friedrich Möhl bereits vor dem Kriege der führenden Standesorganisation der bayersichen Journalisten an. Als 1. Vorsitzender des Vereinss Presseheim und als stellvertretender Vorsitzender des Landesvebandes der bayerischen Presse war er auch an der Gründung eines Schutzverbandes der Münchner Presse, einer Kriegshifleorganisation, beteiligt. KA. Mkr. 13890, Bl. 4 und 5.
- ↑ KA. Mkr. 13890, Bl. 4-5
- ↑ Augsburger Postzeitung Nr. 567 vom 10. Dezember 1916. Eine Kopie des Artikels findet sich in den Akten. KA. Mkr. P 5/248
- ↑ KA. Mkr. 13885, B. 179 c.
- ↑ Den Anlass für das Verbot bildete das Auftreten Heymanns in einer sozialdemokratischen Frauenversammlung. Dort hatte sie zu einer gemeinsamen Friedensdemonstration aufgefordert. Schon im Januar 1915 hatte sie unter dem Titel: „Frauen Europas, wann erschallt Eurer Ruf“ ein Flugblatt verbreitet, in dem sie ebenfalls zu öffentlichen Friedensdemonstrationen aufrief. Die Zensur untersagte die weitere Verbreitung des Flugblattes. Im Mai 1915 bestellte Heymann bei der Buchdruckerei Kastner und Callwey 1050 Abzüge der Resolution des internationalen Frauenkongress in Den Haag. Die Zensur stellte fest: „Die Resolutionen enthalten bei der Behandlung der Fragen „Die Frauen und der Krieg“ und der Kriegsziele, auch in der Darlegung der Grundsätze für die künftige innere und äußere Politik derartige internationalistisch verschwommene, radikale und utopische Forderungen, dass durch die Verbreitung, abgesehen von der zunächst überhaupt verbotene Behandlung der Kriegsziele, eine Gefährdung des Burgfriedens heftige polemische Auseinandersetzungen und gemeingefährliche Beunruhigung und Aufreizung der Frauenwelt zu befürchten ist.“ Nach Artikel 4 Ziffer 2 des Kriegszustandsgesetzes wurde die Verbreitung der Abdrucke verboten. Vgl. KA. Mkr. 13863, Bl. 29.
- ↑ KA. Mkr. 13870, Bl. 118
- ↑ Vgl. Willy Albrecht: Regierung und Landtag. a.a. Ort., S. 133
- ↑ Vgl. H. Lutz: Deutscher Krieg, a. a. Ort., S. 482
- ↑ KA. Mkr. 17135,o. Bl.
- ↑ KA. Mkr. 13876, Bl.3-4
- ↑ KA. Mkr. 13876, Bl.3-4
- ↑ KA. Mkr. 13876, Bl. 3 und 4
- ↑ KA. Mkr. 13879, Bl 91 und 92, auch zum folgenden
- ↑ Rede Bethmann Hollwegs vor dem Reichstag am 5. April 1916
- ↑ KA. Mkr. 13879, Bl. 91 und 92 auch zum folgenden.
- ↑ Abgedruckt be E.R. Huber; Dokumente B., , a,a, Ort., S.369
- ↑ Vgl. Dazu Ernst Heinen, Zentrumspresse und Kriegszieldiskussion unter besonderer Berücksichtigung der Kölnischen Volkszeitung und der Germania, Druck: Photostelle der Universität, 1962 - 266 S. , S. 23-28
- ↑ For Herbert Henry AsquithW the complete and final destruction of Prussia's military power is prerequisite for any peace negotiations. Herbert Henry AsquithW nannte die die vollständige und endgültige Zerstörung der militärischen Macht Preußens als Vorbedingung für Friedensverhandlungen. Worauf Theobald von Bethmann HollwegW am 5. April 1916 zu den Kriegszielen und der Neugestaltung Europas vor dem Reichstag sprach: Sinn und Ziel dieses Krieges ist uns ein Deutschland, so fest gefügt, so stark beschirmt, dass niemand wieder in die Versuchung gerät, uns vernichten zu wollen, dass jedermann in der weiten Welt unser Recht auf Betätigung unserer friedlichen Kräfte anerkennen muss ... Stefan Bollinger, Weltbrand, "Urkatastrophe" und linke Scheidewege: Fragen an den "Großen Krieg", [1] auch Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht: die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland, 1914/18, Droste, 1971 - 902 S., S. 297; Bethmann Hollweg am 5. April 1916 Forderungen aufgestellt: "Den status quo ante kennt nach so ungeheuren Geschehnissen die Geschichte nicht." Es dürfe, wenn Nachbarstaaten sich zusammenschließen und Deutschland "erdrosseln" wollten, künftig für sie "keine Einfallstore" geben. Unter dieser Devise hatte er angedeutet, Deutschland werde Gebiete Polens, Litauens und der baltischen Staaten unter seine Herrschaft bringen. Auch eine Verschiebung der Westgrenze, die dauerhafte Beherrschung Belgiens nach der Abtrennung Flanderns, wurde als Kriegsziel genannt. [2]
- ↑ Hugo HaaseW war Sprecher der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft, einer Vorläuferin der USPD
- ↑ Vgl. F. Fischer: Griff nach der Weltmacht, a.a.O. S. 297
- ↑ KA. Mkr. 13879, B. 91. - 92
- ↑ KA. Mkr. 13871, Bl 197
- ↑ Vgl. Ebenda, vgl. dazu S. 260 f.
- ↑ KA. Mkr. 13858, Bl. 86
- ↑ Heinrich ClaßW, Denkschrift btr. Die national-wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele des deutschen Volkes im gegenwärtigen Kriege. Als Handschrift gedruckt. Claß schreibt in seinen Erinnerungen, dass sich Lehmann im Zusammenhang mit der Versendung seiner Denkschrift in „überflüssiger Gewissenhaftigkeit“ an die Pressestelle des bayerischen Kriegsministeriums gewandt und von ihr den Bescheid erhalten hatte, dass eine als Handschrift gedruckte Denkschrift als eine außerhalb der Öffentlichkeit vor sich gehende Meinungskundgebung aufzufassen sei und dass deshalb gegen ihren Druck und Versand keine Bedenken beständen“. Heinrich Claß: Wider den Strom. 1932, S. 350. Vgl. dazu auch Klaus Schwabe, »Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der deutschen Professorenschaft im Ersten Weltkrieg, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 14 (1966), S. 105–138, hier S. 107 und F. Fischer: Griff nach der Weltmacht, a.a.O., S. 198
- ↑ Die Aktenbestände des ehemaligen bayerischen Kriegsministeriums in München vermitteln ein detailliertes Bild der innenpolitischen Meinungen und Stimmungen im Bayern der Weltkriegsjahre. Der fast geschlossen erhaltene Aktenbestand ist in seiner Art sicher einzigartig. Das Pressereferat des bayerischen Kriegsministerium hatte die Funktion einer obersten bayerischen Zensurstelle, die kraft iher Stellung die Richtlinien für den gesamten bayerischen Zensurbereich also für die einzelnen stellvertretenden Generalkommandos München, Würzburg und Nürnberg ausgab. Wenn auch der größte Teil der Zensurrichtlinien meistens aus Berlin aus übernommen wurde, so ergingen sich doch an die bayerischen stellvertretenden Generalkommandos immer als Erlasse des bayerischen Kriegsministeriums. Vergleichbares Material der Organe der Obersten Heeresleitung, wie die Akten der Abteilung IIIb des Generalstabes, wie des Kriegspresseamtes oder der Oberzensurstelle sowie des preußischen Kriegsministeriums, ist nicht mehr greifbar. Diese Bestände sind bei dem Brand des Potsdammer Heeresarchiv 1945 völlig vernichtet worden. Der noch vorhandene Bestand des bayerischen Kriegsministeriums bildet daher die einzige Quellenbasis für eine Rekonstruktion der Stimmungen und publizisitischen Auseinandersetzungen im Bayern des ersten Weltkrieges und darüber hinaus, soweit das bayerische Kriegsministerium sich den Berliner Maßnahmen anschloss.