Wilhelm Herzog

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Wilhelm Herzog (* 12. Januar 1884 in BerlinW, † 18. April 1960 in München) war ein deutscher Literatur- und Kulturhistoriker, Dramatiker und Enzyklopädist.

Werdegang

Herzog studierte Volkswirtschaft, Kunstgeschichte und Germanistik an der Berliner Humboldt-Universität. Nach frühen Werken über Lichtenberg (1905) und Kleist (1907) war er Autor der Zeitschrift März (Zeitschrift)W in München sowie 1910/1911 Herausgeber der Zeitschrift Pan (Zeitschrift)W in Berlin.

Pan

Pan war eine von Wilhelm Herzog und Paul Cassirer herausgegebene Halbmonatsschrift, die im November 1910 gegründet und im Berliner Verlag Paul CassirerW herausgegeben wurde.

Die im Januar 1911 dort veröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen Gustave FlaubertWs wurden von der Zensur-behörde beschlagnahmt und zum Auslöser der Kerr-Jagow-Affäre.

Kerr-Jagow-Affäre

Der Berliner Polizeichef Traugott von JagowW, Verantwortlicher der Zensurbehörde hatte den Vertrieb des betreffenden Hefts (Nr. 6) der Zeitschrift verboten und dessen Beschlagnahmung angeordnet. Ab 1911 war Alfred KerrW, zunächst Mit-, von 1912 bis 1915 alleiniger Herausgeber der 1910 von dem Verleger Paul Cassirer wiedergegründeten Kunst- und Literaturzeitschrift Pan. [1]

Die Affaire handelte von Tilla DurieuxW die Frau des Verlegers Paul CassirerW, dessen Pan von ihm wegen Verstoßes gegen die Sittlichkeit beschlagnahmt worden war. Alfred KerrW, hocherfreut über Traugott von JagowWs privaten Sündenfall, ergriff gegen die Einwände Herzogs[2] und Cassirers die Gelegenheit, den politischen Gegner der Doppelmoral zu überführen. Er veröffentlichte den Brief samt Auslegung im nächsten Heft des Pan. Die Affäre entwickelte sich allerdings wesentlich anders, als sich Kerr gewünscht hatte. Von Jagow dachte nicht daran zurückzutreten. Hingegen war Kerrs Vorgehen besonders die Veröffentlichung des Briefes, Anlass für die verschiedensten Stellungnahmen. Nicht nur die Tagespresse beteiligte sich. In der Die WeltbühneW, der Berliner Konkurrentin des Pan, wurde heftigst gegen Kerrs Indiskretion polemisiert, was wiederum die Verteidiger Kerrs mobilisierte. So rechtfertigte ihn Franz PfemfertW in Die AktionW, die im weiteren Verlauf auch andere Anhänger Kerrs, allen voran Kurt HillerW, zu Wort kommen ließ. Karl KrausW mischte sich aus Wien mit Die FackelW ein, worauf er seinerseits von Max BrodW, dem Mitarbeiter des Pan, Scharf attackiert wurde - im übrigen war dies der Beginn eines langen Streits zwischen Brod und Kraus. Der neu gegründete Pan hatte dank des Berliner Polizeipräsidenten einen beträchtlichen Bekanntheitsgrad innerhalb der literarischen Szene erzielt.

Flaubert-Zensurprozess

Im Sommer 1911 fand der Flaubert-Zensurprozess statt. Als Sachverständiger gutachtete Richard DehmelW, der die Frage, ob Flaubert unsittliche Tendenzen verfolgt habe, absurd und indiskutabel fand. Trotzdem gab das Gericht dem Staatsanwalt und dessen Befürchtung recht, die Schrift hätte in die Hand sittlich nicht gefestigter Leser gelangen können. Herzog und Cassirer, denen man nun vorwarf, diesen Umstand nicht bedacht zu haben, [3]

Wilhelm Herzog dagegen brachte im Frühjahr 1914 in München in einem eigens dafür gegründeten Verlag Das Forum heraus, eine vielbeachtete Platform des literarischen Aktivismus, schon vor dem Krieg gegen den Krieg Stellung nehmend und im September 1915 vom Bayerischen Kriegsministerium verboten. Nach dem Krieg wurde das Forum bis 1929 von Herzog fortgesetzt.

Das Forum

1914/1915 publizierte Herzog zunächst bis zur erzwungenen, „weltkriegsbedingten“ Einstellung das für den Weltfrieden kämpfende journalistische Magazin Das Forum. Erst 1918 konnte er die Zeitschrift fortführen. Sie erschien bis 1929 in neun Jahrgängen. Im März 1915 befasste sich das Pressereferat eingehender mit dem Inhalt der Monatszeitschrift „Das Forum“. Dabei stellte es zunächst fest:

Das Forum gefällt sich seit Kriegsbeginn in der Propagierung eines ganz unzeitgemäßen Europäertums und einer unpatriotischen, pessimistischen Welt- und Lebensanschauung, deren Verbreitung und Verstärkung in der davon leider sehr angekränkelten „übergebildeten“ deutschen Gesellschaft nicht wünschenswert erscheint.   In persönlichen Gesprächen mit dem Herausgeber der Zeitschrift, Wilhelm Herzog, versuchte die Zensur, eine Änderung des Inhalts zu erwirken.

Ein weiteres Schreiben des Pressereferats forderte Herzog auf, in Zukunft auf die Propagierung eines „unzeitgemäßen und auf die Landesverteidigung sich schädlich auswirkenden vaterlandslosen Ästheten- und Europäertums“ zu verzichten. Nachdrücklich bedeutete man Herzog, sich seiner vaterländischen Verantwortung bewusst zu werden und als Konsequenz daraus jene Tendenz, „die gegen die mannhafte, vertrauensvolle und selbstbewußte Stimmung und Haltung unseres Volkes“ negativ wirken könnten, in Zukunft im „Forum“ nicht mehr zu veröffentlichen. Im Juni desselben Jahres ordnete das Referat Herzog und sein Forum bereits „den führenden Geistern der gegenwärtigen eine starke Werbetätigkeit beginnenden pazifistischen Kreisen“ zu.

Der zuständige Referent charakterisierte die Anhänger pazifistischer Ideen mit den Worten: Diese Herren finden nicht Worte genug, um die unser ganzes Volkstum durchwogende Kraft und Geschlossenheit des Handelns zu bemängeln und an deren Stelle jenes weichliche Ästhetentum mit seinen verschwommenen, weibischen, internationalen Zielen zu setzen, dem einen schöngeistige Wendung irgendeines fremden Literaten mehr bedeutet, als der Siegeswille der Deutschen.   Auch gegenüber Herzog und dem Forum hielt das Pressereferat zunächst am Grundsatz der wohlwollenden Zusammenarbeit mit der Presse fest.

In wiederholten schriftlichen und mündlichen Ermahnungen versuchten die Zensoren immer wieder eine befriedigende Lösung herbei zu führen. Da die Bemühungen offensichtlich fruchtlos blieben, erhielt Herzog eine Verwarnung. Der Gedanke an ein Erscheinungsverbot wurde im Ministerium erwogen; er konnte zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht realisiert werden, da es der Zensur „an eine ausreichend formalen Grund mangelte“ wie es in den Akten hieß. Die Erhaltung des Burgfriedens bildete für die Zensur eine der wichtigsten Leitlinien während des Krieges. Im Juli 1915 legte Herzog der Zensur einen Artikel vor, der keinerlei pazifistische Tendenz enthielt. Die Zensur ließ den Artikel jedoch zur Veröffentlichung nicht zu, weil der Inhalt nach Ansicht der Behörde eine Gefährdung des konfessionellen Friedens darstellte. In der ausführlichen Begründung der Entscheidung wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass nicht sachlich richtige oder auch falsche Inhalt eines Artikels zensiert werde, sondern dass die Entscheidung des Referates sich allein an dem Gesichtspunkt der möglichen Auswirkungen auf die Öffentlichkeit orientiere [4] Damit hatte das Zensurreferat noch einmal versucht, auch Herzog die Motivation der zensuralen Tätigkeit klar zu machen. Die Erhaltung einer einmütigen Volksstimmung war eine militärische Notwendigkeit ersten Ranges. Die Ausbreitung pazifistischer Tendenzen bedeutete in den Augen der militärischen Zensur ebenso eine Gefährdung der einheitlichen Volksstimmung wie die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Konfessionen. Im August 1915 regte nun auch die Oberzensurstelle des KriegspresseamtWes eine strenge Überwachung aller Zeitschriften an, die auf Grund ihres Inhalts vom Ausland gelesen und zur Gegenpropaganda gegen das Reich verwandt wurden.

Da eine große Anzahl von Exemplaren des Forums in das Ausland versandt wurden, bezog sich diese Anregung aus Berlin auch auf das Forum. Am 4. September 1915 teilte das Pressereferat dem Herausgeber Herzog noch einmal die großen Bedenken, die gegen den Inhalt der Zeitschrift und deren Verbreitung weiter bestanden, mit. Am 11. September 1915 hieß es in den Akten: Trotzdem bleibt Herzog bei seiner Art, durch tendenziöse Zusammenstellung von pazifistischen Stimmen aus dem In- und Ausland, durch Zitate usw. die vaterländische Gesinnung und die bezüglichen Veröffentlichungen herabzusetzen und hämisch zu bekritteln. Nebenbei wird immer wieder versucht, die angebliche Schuld oder Hauptschuld an dem Kriege der deutschen Regierung oder den herrschenden Kreisen besonders in Deutschland zuzuschieben.

Leerstellen

Das anfängliche Entgegenkommen gegenüber dem Forum und seinem Herausgeber fand nun bald ein Ende. Das Pressereferat sah sich im Laufe der Zeit zu immer größeren Streichungen veranlasst.

Herzog ließ die von der Zensur gestrichen Passagen aus dem Drucksatz nehmen, was dem aufmerksamen Leser zeigte, wo der Zensor eingegriffen hatte.

Zensorkursiv

Als das Pressereferat den Artikel eines österreichischen Sozialdemokraten nicht zur Veröffentlichung zulassen wollte, ersuchte Herzog das Referat, doch für die gestrichenen Stellen Änderungsvorschläge einzusetzen. Das Referat kam dem Wunsch nach [5] Herzog ließ die vom Zensur vorgeschlagenen Änderungen kursiv setzen.

Eine derartige Verdeutlichung der Urheberschaft war den Zensoren auch nicht genehm und sie ließen die entsprechenden Bögen aus der Zeitschrift nehmen.

Vorsichtshalber hatte die Zensurstelle dem Drucker der Zeitschrift die Auflage gemacht, das Heft vor der Auslieferung noch einmal im Kriegsministerium vorzulegen. Angesichts der Tatsache, dass Herzog auch noch versucht hatte die wohlmeinende Absicht des Zensors schlau zu vereiteln“ verbot das Referat den gesamten Artikel und kam zu der Feststellung: Trotz sorgfältiger Prüfung zeigte sich, dass Herzog die Tendenz und raffinierte Art der Zusammenstellung der Artikel, endlich auch durch die auffallende Hervorhebung der Streichungen, Ausgaben seiner Zeitschrift zustande bringt, die in ihrer Wirkung an den Tatbestand des Landesverrates nahe kommen. Es hat sich erwiesen, dass die Präventivzensur nicht ausreicht, um diese raffiniert literarische Mache einer kleinen Gruppe vaterlandsloser Ästheten und politischer Utopisten zu unterdrücken, die umso gefährlicher wirken, als sie sich den Anschein zu geben wissen, hinter ihnen stünden große Schichten der Gebildeten und „verständigen“ Politiker in Deutschland und Österreich. AIPr. muss daher weitere Versuche, die gemeinschädliche Haltung der Zeitschrift zu beeinflussen, aufgeben und dem bereits … in Aussicht genommenen Antrag nahe treten, das Erscheinen des Forum während des Krieges auf Grund Art 4 Ziffer 2 des Kriegszustandsgesetzes einzustellen. Am 11. September 1915 verbot das Pressereferat des Kriegsministeriums das „Forum“ für die Dauer des Krieges. Die Begründung lautete auf Schädigung der militärischen und allgemeinen vaterländischen Interessen.

Protest

Noch im selben Monat protestierte Herzog gegen die Entscheidung des Ministeriums und erklärte zum Selbstverständnis seiner Zeitschrift, das Forum wolle „im Sinne Nietsches eine Tribüne sein für alle guten Europäer“. Die Zensur verbiete nun eine Zeitschrift, die nichts anderem dienen wolle als der Menschlichkeit und dies auch in Kriegszeiten. Währende die annexionistischen Forderungen alldeutscher Kreise sich einer Gemeinschaft Deutschlands mit den übrigen „Kulturstaaten“ hemmend entgegenstellten, versuche gerade das Forum, allein zum Nutzen Deutschlands die moralische Gemeinschaft mit den übrigen Kulturvölkern weiterhin aufrecht zu erhalten. Die Pazifisten seien die „Avantgarde jener, die das Recht des deutschen Geistes behaupten und dafür eintreten, dass die Taten Ergebnisse diese Geistes sein sollen“.

Obwohl Herzog sich schon sehr bald darüber im klaren war, dass er kaum eine Revision der Einstellung des Forums erreichen würde , führte er zunächst über seinen Rechtsanwalt die Auseinandersetzung mit der bayerischen Zensurstelle fort [6] Herzog ließ dem Pressereferat mitteilen, dass er eine Eingabe an den Reichskanzler gegen die Einstellung des Forums gerichtet habe und darüberhinaus im Landtag Beschwerde führen werde. [7]

Nach dem Ersten Weltkrieg

Am 8. November 1918 gründete sich im Landtag (Prannerstraße 20 (heute neu nummeriert Nr. 8) ein »Rat geistiger Arbeiter«, dem Bruno FrankW und der Journalist Wilhelm Herzog angehörten. Herzog war mit Heinrich Mann befreundet und erscheint im Tagebuch von Thomas Mann[8] 1918/1919 war Herzog Herausgeber der Tageszeitung Die Republik und trat der Unabhängige Sozialdemokratische Partei DeutschlandsW bei, mit deren linkem Flügel er sich Ende 1920 der Kommunistische Partei DeutschlandsW anschloss, welcher er bis zu seinem Parteiausschluss 1928 (er hatte Willi MünzenbergW als „roten HugenbergW“ bezeichnet) angehörte.

Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 emigrierte Herzog zunächst in die Schweiz, wo er sich bereits seit Zunehmen der antisemitischen Übergriffe Ende der 1920er Jahre vornehmlich aufgehalten hatte, sowie kurze Zeit später nach Frankreich. Auch im Ausland war er der Verfolgung durch die Behörden ausgesetzt; so konnte ihn seine Emigration nicht vor mehrfacher Internierung (1939–1941 in Frankreich sowie nach seiner Flucht in die USA von 1941 bis 1945 auf Trinidad) bewahren. Erst kurz nach dem 8. Mai 1945 durfte er in die USA einreisen. 1947 kehrte er in die Schweiz zurück, ab 1952 lebte er in München.

1956 war er Preisträger des Literaturpreis der Landeshauptstadt München.[9]

Er wurde auf dem Ostfriedhof beigesetzt zu den Grabrednern gehörten Erich Kästner und Walther KiaulehnW.

Einzelnachweise

  1. Nicole Streitler, Nicole Streitler-Kastberger, Musil als Kritiker, S. 26
  2. Herzogs Darstellung der Affäre Jagow befindet sich in : Herzog, Menschen denen ich begegnete, S. 399ff. Vgl. Auch Herzog: Jagow und der Pan. Noch
  3. Claudia Müller-Stratmann, Wilhelm Herzog und "Das Forum": Literatur-Politik zwischen 1910 und 1915 : ein Beitrag zur Publizistik des Expressionismus, P. Lang, 1997 - 268 S. , S. 41[1][2][3][4]
  4. KA Mkr. 13865 Bl. 169 vom 28. Juli 1915
  5. Die gleiche Bitte des alldeutschen Verlegers Julius Friedrich LehmannW hatte das Referat sofort abgelehnt. Vgl. S. 130
  6. Wilhelm Herzog, Menschen denen ich begegnete, Bern.-München 1959 S. 56
  7. Fischer, Doris, Die Münchner Zensurstelle während des Ersten Weltkrieges. Alfons Falkner von Sonnenburg als Pressereferent im Bayerischen Kriegsministerium in den Jahren 1914 bis 1918/19, Phil. Diss., München 1973,
  8. Düsseldorfer Beiträge zur Thomas Mann-Forschung: Schriftenreihe der, S. 61[5]
  9. Welt und Wort, Heliopolis-Verlag Ewald Katzmann, 1959, S. 33
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