BISS
BISS (Bürger in sozialen Schwierigkeiten ) ist eine unabhängige Straßenzeitung für München, umgangssprachlich auch Obdachlosenzeitung. Das Projekt gibt es seit dem 17. Oktober 1993 und es versucht, Obdachlosen und Bürgern in sozialen Schwierigkeiten die Möglichkeit zur Selbsthilfe zu bieten. Das Blatt wird ausschließlich auf der Straße verkauft, vom Verkaufspreis (2,20 Euro) gehen 1,10 Euro direkt an den Verkäufer. Von derzeit etwa 100 Verkäufern sind mittlerweile 42 von BISS fest angestellt.
Das Magazin erscheint elf Mal im Jahr, in jeder Ausgabe wird ein bestimmtes Schwerpunktthema aufgegriffen. Im Rahmen einer Schreibwerkstatt haben die BISS-Verkäufer die Möglichkeit, eigene Texte zu veröffentlichen. Das Vorbild war die „The Big Issue“, eine Straßenzeitung in London, 1991 entstanden.
Ein sozialer Stadtplan
Es fing mit 55 Adressen auf Papier an: auf der vorletzten Seite von BISS stehen immer 55 Hilfsangebote in den sechs Kategorien Wohnungsverlust, Beratung, Krankheit, Sucht, Schulden und weitere Hilfsangebote mit der Telefonnummer.
Der neue soziale Stadtplan im Internet ist eine navigierbare Datenbank, die einen Überblick über soziale Einrichtungen in ganz München bietet. Er/sie/Sie können aus 25 verschiedenen Kategorien auswählen / suchen, z. B. Ausbildung, Familie, Sucht und dann erscheinen die Treffer als Stecknadeln in einem Münchner Stadtplan. Hinter jeder Stecknadel verbirgt sich auf Klick ein Artikel mit weiterführenden Informationen zur jeweiligen Einrichtung.
Insgesamt wurden bereits mehr als 500 Adressen gesammelt – und die Datenbank wächst weiter.
In der linken Spalte gibt es die Kurzprofile von sozialen Hilfseinrichtungen direkt nach Themen geordnet. Und in der rechten Spalte können Hilfseinrichtungen geografisch oder thematisch gesucht werden.
Geschichte, Entwicklung
Nein: Sinkende Verkaufszahlen und immer weniger Festanstellungen: der Trend in der sonstigen, etablierten, Branche der gedruckten Zeitungen betrifft die Magazine wie BISS aus München oder Hinz&Kunzt aus Hamburg nicht. Beide konnten 2013 ihr 20jähriges Jubiläum "feiern". BISS hat 2012 nach eigenen Angaben eine monatliche Auflage von etwa 38.000 Exemplaren. Der Gedanke hinter diesen Zeitungen ist, dass obdachlose und wohnungslose Menschen statt zu betteln, etwas eigenes Geld verdienen, Kontakt zu Menschen finden, an Selbstvertrauen gewinnen und Wertschätzung erfahren. Es ist allerdings in gewisser Weise ein trauriges Jubiläum, weil es obdachlose Menschen in steigendem Umfang immer noch gibt. Negativ ist, dass sich heute die Situation schlimmer darstellt als vor 20 Jahren.
Rund 30 Straßenzeitungen werden in deutschen Städten produziert und anschließend von Wohnungslosen verkauft. Diese dürfen einen Anteil vom Verkaufspreis behalten. Beim Münchner Magazin BISS etwa liegt der Verkaufspreis bei 2,20 Euro, die Hälfte ist für den Verkäufer. BISS bietet ab einer bestimmten Anzahl verkaufter Exemplare auch die Möglichkeit einer Anstellung in Teilzeit beziehungsweise Vollzeit.
Die Beiträge der Magazine kommen inzwischen aber fast alle von professionellen Journalistinnen und Journalisten. Beim BISS in jedem Heft jedoch vier Seiten für Beiträge aus der sogenannten Schreibwerkstatt reserviert. Hildegard Denninger von BISS beschreibt, was das für manchen Obdachlosen bedeutet:
„Es hat uns mal ‘n Therapeut gesagt: Die Schreibwerkstatt ersetzt quasi bei manchem einen Therapeuten, weil er das sich was von der Seele schreiben kann und weil er seine Sache darlegen kann.“
Schreibwerkstätten sind Kurse, in denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter Anleitung lernen, Texte zu verfassen. Ähnlich ist es bei BISS. Einmal wöchentlich findet die Schreibwerkstatt statt. Eine Journalistin schaut über die Texte drüber, gibt Tipps. Die Beiträge geben, so die Verantwortlichen, „die persönliche Meinung der Autoren wieder, nicht die der Redaktion“. Berichtet wird darin vom Alltag als Obdachlose beziehungsweise Obdachloser. Manche Geschichten sind wirklich so passiert, andere sind erfunden.
Als die ersten Straßenzeitungen auf den Markt kamen, waren Obdachlose ihre eigenen Redakteure und Produzenten. Unterstützt, angeleitet, wurden sie damals von SozialarbeiterInnen und Ehrenamtlichen. Sozialarbeiterinnen sind hoch qualifizierte Menschen, die bei kommunalen oder karitativen Einrichtungen dafür beschäftigt sind Hilfsbedürftige zu beraten und bei der Suche einer "Rückkehr" zu unterstützen. Menschen, die ehrenamtlich helfen, tun das in ihrer Freizeit, ohne dafür eine Bezahlung zu erhalten. Sie müssen auch keine besondere Ausbildung nachweisen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt aber waren die von Obdachlosen selbst erstellten Zeitungen nicht mehr attraktiv genug für die Leser. Aber die Konkurrenz auf dem Markt wurde stärker, sie gerieten unter Konkurrenzdruck kostenloser Werbemagazine u.ä.
2018
25 Jahre BISS-Magazin: Im Oktober 1993 - also vor knapp 25 Jahren - erschien die erste Ausgabe des BISS-Magazins, das mittlerweile von circa 100 Verkäufern in München angeboten wird. Zum diesjährigen Jubiläum schuf das Künstlerduo Heather Peak Morison und Ivan Morison einen Pavillon, der das Reiterstandbild von Maximilian I. am Wittelsbacher Platz umringt. Es ist ein Leichtgerüst aus Holz und Stahl, das mit einem silbernen Stoff überzogen ist. Die vielen Falten und Flächen sollen der Vielfalt der BISS-Verkäufer und Unterstützer entsprechen. Mit insgesamt vier Eingängen wird die Skulptur im Inneren immer zugänglich sein und allen offenstehen.[1]
BISS im Film
Drei Jahre lang begleiteten Wolfgang Ettlich und sein Team vier BISS-Verkäufer in der Stadt mit der Kamera. Der Film, der dabei entstand, hat im Mai auf Münchens Dokumentarfilmfestival DOK.fest Film-Premiere
Hotel BISS
- Film, Originaltitel: Hotel BISS - Vision einer Bürgerbewegung. (D, 2012)
- Regie und Drehbuch: Wolfgang Ettlich
- Länge: 73 Minuten
Die Premiere war am Donnerstag, den 3. Mai 2012 um 21 Uhr im ARRI-Kino in München, Türkenstraße 91. Eine zweite Vorstellung gab es am Samstag, den 5. Mai um 15:30 Uhr im City 3 Kino in München, Sonnenstraße 12.
- 2008: Die Idee, aus dem ehemaligen Gefängnis ein Hotel zu machen, bekommt breite Unterstützung. Die Sportfreunde Stiller, FC Bayern-Präsident Uli Hoeneß und Bruno Jonas rühren die Werbetrommel. Selbst der damalige Ministerpräsident Günther BecksteinW setzt sich für das engagierte Projekt ein. 1,6 Millionen Euro Spendengelder und weitere drei Millionen in Form von Förderungszusagen bringen sie zusammen. Architekten entwerfen Pläne für den Umbau des alten Gefängnisses - elf altengerechte Wohnungen für obdachlose Senioren sind darin vorgesehen.
- 2009: Das Konzept für die Ausbildung als Hotelmitarbeiter einer gehobenen Bleibe steht.
- 2010: Als ein ausländisches Investorenkonsortium 16 Millionen bietet, ist die Verzweiflung groß.
- 2011: Der Film zeigt auch den vorläufigen Ausgang dieses Ringens um staatliche Unterstützung privater Wohlfahrtsanstrengungen.
Ausgewählte Veröffentlichungen 1990er und 2000er Jahre
Fotografien von Andreas Bohnenstengel
BISS 061995, Seite 18: Kinder in der Kellerstraße
BISS 041998, Seite 6 und 7: Ottis Schlachthof
BISS 051998, Seite 20 und 21: Rossmarkt
BISS 111999, Seite 16 und 17: Haus Bertram
BISS 112001, Seite 12: Bayerische Theaterakademie August Everding
BISS 022002, Seite 28, 29: Union Move
Weblinks
www.biss-magazin.de, offizielle Website
- SZ: Die verlorene Vision. vom 5. Mai 2012, Das Dokfest zeigt die Geschichte des an der Staatsregierung gescheiterten Biss-Hotels
Das Thema "BISS" ist aufgrund seiner überregionalen Bedeutung auch bei der deutschsprachigen Wikipedia vertreten.
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