NSU-Prozess
Vor dem Oberlandesgericht München findet seit 2013 ein Gerichtsverfahren wegen der Mordserie an Kleinunternehmern an mehreren Orten statt, das allgemein unter Bezeichungen wie NSU-Prozess / Neonazi-Mordserie bereits im Vorfeld für viel Aufsehen sorgte. Der Grund des Verfahrens, die NSU-Mord-Serie fand zwischen 2000 und 2006 statt. Unklar ist, ob es zu der 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin Kiesewetter von dem Zwickauer Neonazi-Trio eine engere Verbindung gab.
Nach Einschätzung der Ermittler wurden in den Jahren 2000 bis 2006 bundesweit acht türkischstämmige Männer und ein Grieche durch eine rechtsextremistische Gruppierung allein auf Grund ihrer ausländischen Herkunft ermordet. Der Gruppe werden als Täter zwei tote Männer (4. Nov. 2011), und ein verhafteter Mann und eine Frau zugeordnet. Die Bundesanwaltschaft führte die Ermittlungen erst seit November 2011.
Die Neonazi-Mordserie wird allgemein so genannt, weil seit November 2011 die der Neonazi-Szene zuzuordnenden mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die am 4. November 2011 Suizid begingen, und die ebenfalls des Terrorismus beschuldigte Beate Zschäpe, die sich am 8. November 2011 der Polizei stellte, in diesen Fällen unter Mordverdacht stehen. Im November 2011 ergingen gegen weitere unter Tatverdacht stehende Unterstützer dieser Vereinigung mit der Eigenbezeichnung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) Anklage.
13 Jahre lang lebten die als Haupttäter angeschuldigten drei Personen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt (tot) und Uwe Mundlos (tot) unerkannt und ohne offizielle Anmeldung in Deutschland. Von den jetzt fünf Angeklagten, die von insgesamt zwölf RechtsanwältInnen verteidigt werden, sind zwei in Untersuchungshaft.
Die Mordserie
Seit dem Jahr 2000 schlugen die Täter dreimal in Nürnberg, einmal je in Hamburg und Rostock und zwei Mal in München zu. Am 29. August 2001 war der Gemüsehändler Habil Kilic in der Bad-Schachener-Straße mit zwei Kugeln in den Kopf quasi hingerichtet worden. Hinzu kommen zu den Morden jedoch weitere 14 Bankraube, die in dieser Zeit nach einem gleichartigen Muster begangen wurden.
- 9. September 2000 - Enver S. in Nürnberg
- 19. Jan. 2001 - Anschlag in Köln
- 13. Juni 2001 - Abdurrahim Ö. in Nürnberg
- 27. Juni 2001 - Süleyman T. in Hamburg
- 29. August 2001 - Habil K. in München-Ramersdorf
- 25. Februar 2004 - Yunus T. in Rostock
- 9. Juni 2004 Anschlag in Köln
- 9. Juni 2005 - Ismail Y. in Nürnberg
- 15. Juni 2005 - Theodorus B. in München
- 4. April 2006 - Mehmet K. in Dortmund
- 6. April 2006 - Halit Y. in Kassel
- 25. April 2007 - Michéle K. in Heilbronn
Am 26. Januar 1998 fand die Durchsuchung der von Zschäpe gemieteten Garage in Jena statt. In der Garage hatte die Polizei eine Bombenbauwerkstatt entdeckt. Die Razzia war mutmaßlich der Anlass für Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, "in den Untergrund" abzutauchen. War dies einer der Ausgangspunkte der Serie?
Am 9. Dezember 2015 erklärt B. Zschäpe im Prozess schriftlich (moralisch schuldig ), dass sie die zehn Morde und die zwei Anschläge der beiden anderen Täter nicht habe verhindern können.
Dass es der Polizei nicht gelungen war, hinter die Täter zu kommen, das ist eine tragische andere Abfolge von Ermittlungs-Fehlern.
Ortswahl
Oberlandesgerichte sind laut Gerichtsverfassungsgesetz als erste Instanz dann zuständig, wenn der Vorwurf auf Mord (und wie hier Bildung einer terroristischen Einigung) lautet. Der Prozess sollte unbedingt in München verhandelt werden. Denn von zehn Morden, für die der so genannte NSU verantwortlich gemacht wird, wurden fünf in Bayern verübt - zwei in München, drei in Nürnberg.
Deshalb soll der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts der bayerischen Hauptstadt urteilen. Der größte Sitzungssaal wurde extra umgebaut und erwies sich schon bei der Verteilung der Presseplätze als zu klein.
Zeitplan
Am 6. Mai (ursprünglich war der 17. April geplant) 2013 war der erste Prozesstag.
Der Strafsenat wird in der Regel zweimal wöchentlich tagen. Die bisher festgelegten 86 Verhandlungstage bis Januar 2014 dürften nach Einschätzung des Vorsitzenden für dieses umfangreiche Verfahren nicht ausreichen.
Die Presseplätze für den NSU-Prozess werden nach einem Beschluss des Verfassungsgerichts dazu neu vergeben. Deshalb wird der Prozess kurzfristig auf den 6. Mai vertagt. So hat das Oberlandesgericht München am 15.4.13 überraschend entschieden.
Im Dezember 2015 sind es bereits über 280 Verhandlungstage.
Aussagen, Zeugen
- Ein Protokoll des ersten Jahres (71 Tage) (In sz-magazin.sueddeutsche.de)
……
Die mutmaßliche Täterin, oft als Rechtsterroristin bezeichnete, Beate Zschäpe beendet ihr Schweigen im Verfahren und will im Dezember 2015 reden. Damit ist die Strategie ihrer ursprünglichen Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm gescheitert. Der neue Anwalt M. Grasel spielt die zentrale Rolle, wenn Zschäpe nach zweieinhalb Jahren Prozessdauer ihr Schweigen bricht. Sein Kanzleikollege Hermann Borchert hat sich Zschäpe zusätzlich als Wahlverteidiger ausgesucht. Grasel kündigte an, er werde Zschäpes Erklärung verlesen.
Weblinks
- Der tägliche Blick nach München — Was ist heute beim NSU-Prozess passiert? (am 16.10.2015, zuletzt eingesehen am …)
- Jörg Diehl und Björn Hengst: Thüringer Landtags-Abschlussbericht. Warum der NSU so lange morden konnte. Im Spiegel vom 21.08.2014 (Ein "einziges Desaster" - so fasst der Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss demnach die jahrelange (Nicht-)Fahndung nach den untergetauchten Neonazis zusammen.)
- Der NSU-Prozess ist mit Erwartungen überfrachtet. Seit einem Jahr sucht das Münchner Gericht nach der Wahrheit. Das NSU-Prozess-Blog — Der tägliche Blick nach München. Was wird verhandelt? Wie berichten die Medien? (Die Zeit; z. B. 53. Prozesstag, 6. November 2013 – Die Mordwaffe; 52. Prozesstag – Brand in Zwickauer Wohnung / Wohnwagen Eisenach; 19.09. Befangenheitsantrag gegen alle fünf Richter gescheitert. 6.5.14 Der NSU-Prozess ist mit Erwartungen überfrachtet. Seit einem Jahr sucht das Münchner Gericht nach der Wahrheit. …)
- Themenseite der Süddt. Ztg.
- spiegel.de — Thema: Zwickauer Terrorzelle
- Annette Ramelsberger, Wolfgang Janisch in der Süddt. Ztg.: Alles auf Anfang … (… Es war eine elegante Lösung, die sich das Bundesverfassungsgericht für das Platzvergabedebakel im NSU-Prozess ausgedacht hatte. Doch das Münchner Gericht lehnt dieses Angebot ab, verschiebt den Prozess. Mit der Entscheidung brüskiert das Gericht Nebenkläger, Prozessbeteiligte, Polizei. Es ist die Radikallösung.)
- Tom Sundermann berichtet von der mehrtägigen Vernehmung eines der Angeklagten. Die Zeit vom 12.06.201
- Die Wahrheitssuche hat begonnen. Die Süddt. Ztg. berichtet von der Aussage eines Angeklagten über einen weiteren, der Neonazigruppe zuzuordnenden Anschlag in Nürnberg. 12.6.13
- Sundermann Der NSU-Prozess steht noch am Anfang. zeit.de, 7.8.13