Cemal Kemal Altun
Cemal Kemal Altun (verschiedene Schreibweisen des Vornamens; geb. am 13. April 1960 in SamsunW, Türkei[1]; gest. am 30. August 1983 in Berlin) war ein türkischer Asylbewerber in der Bundesrepublik Deutschland, der 1983 während seines Abschiebeverfahrens im Zusammenhang mit der ihm drohenden Auslieferung an die damalige türkische MilitärdiktaturW verzweifelt selbst das Leben nahm, indem er aus dem sechsten Stock des Verwaltungsgerichts Berlin in den Tod sprang. Dies erregte bundesweites Aufsehen. Altun war der erste in einer Reihe politischer Flüchtlinge aus der Türkei, die seit dem Sommer 1982 von der Abschiebung bedroht waren und sich in dieser Situation das Leben nahmen, und erstmals erreichte ein derartiges Flüchtlingsdrama die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit. Cemal ist ein türkischer männlicher Vorname arabischer Herkunft mit der Bedeutung „schönes Gesicht“.
Seit der Grundgesetzänderung 1993W, mit der das Asylrecht drastisch eingeschränkt wurde, haben sich nur in der Zeit bis Ende 2007 mindestens 149 Menschen angesichts ihrer drohenden Abschiebung das Leben genommen.[2]
Die damalige Bundesregierung reagierte bestürzt und äußerte, man habe nicht mit einer Verzweiflungstat rechnen können. Amnesty international schaltete eine Todesanzeige für Altun, in der es unter anderem hieß:
„Die fortschreitende Aushöhlung des Asylrechts und die Atmosphäre der Ausländerfeindlichkeit haben ihm das Vertrauen in das Grundgesetz genommen. Im Alter von 23 Jahren starb er als Opfer einer Politik, die die guten Beziehungen zu den türkischen Militärs über den Schutz eines verfolgten Menschen stellte.“
Amnesty bezeichnete die Verzweiflung Altuns als verständlich und die Haltung der Verantwortlichen als unverständlich.
In einem letzten Versuch, den Sachverhalt zu klären, wurde Cemal Kemal Altun sechs Monate nach seinem Tod vom Gericht das Asylrecht zugesprochen.
Sein Grab befindet sich auf dem Dreifaltigkeitskirchhof III in Berlin-Mariendorf.
Gedenkstätten
Kemal-Altun-Platz in Kassel
Cemal-Kemal-Altun-Mahnmal in Berlin
Vor dem ehemaligen Berliner Verwaltungsgericht
Kemal-Altun-Platz in Hamburg
Die Suche nach einem geeigneten Namensträger unter den Plätzen von München
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Sonstige Gedenkformen
Ballade
Der deutsche Lyriker Wolf BiermannW schrieb eine Ballade über das Schicksal Cemal Kemal Altuns in Anlehnung an das Heine-Lied Ich weiß nicht, was soll es bedeuten….
Film
Die deutsch-türkische Filmregisseurin Ayşe PolatW drehte über das Schicksal Altuns 1992 den Kurzfilm Fremdennacht.
Die ARD-Reihe Ex! Was die Nation erregte zeigte eine ausführliche Dokumentation über den Fall Altun, die auch in Buchform erschien.
Buch
Das 1985 veröffentlichte Buch Ganz unten von Günter Wallraff ist unter anderem namentlich Cemal Altun gewidmet.
Literatur
- Veronika Arendt-Rojahn (Hg.): Ausgeliefert. Cemal Altun und andere. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1983, ISBN 3-499-15358-0.
- Niels Seibert: Ein staatlich betriebener Selbstmord. Cemal Altun und Proteste gegen Auslieferungen. In: Niels Seibert: Vergessene Proteste: Internationalismus und Antirassismus 1964-1983. Unrast, Münster 2008, ISBN 978-3-89771-032-0.
Weblinks
- Asyl in der Kirche e.V. Berlin (Hrsg.): Zuflucht gesucht – den Tod gefunden. Cemal Kemal Altun 1960–1983. (PDF; 1,4 MB)
- Agnes Steinbauer: Kalenderblatt. Sprung in den Tod. Vor 30 Jahren stürzte sich der türkische Asylbewerber Kemal Altun aus dem Fenster. Deutschlandfunk, 30. August 2013.
- Dietmar Süß / Die Zeit 30/2018: Ein Suizid, der etwas änderte.
Siehe auch
- „Härte mit System – Wie Deutschland abschiebt.“ (Dokumentarfilm des WDR, 2006)
- Türken in Bayern
- Artikel 16, Abs. 3, Satz 2 GrundgesetzW
Quellen
- ↑ Deutschlandradio: Vorlage:Webarchiv, 30. August 2003 (Stand 2. November 2006)
- ↑ Niels Seibert (2008): Ein staatlich betriebener Selbstmord. Cemal Altun und Proteste gegen Auslieferungen. s. Literatur.
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