Ernst Jonach Ehrentreu: Unterschied zwischen den Versionen
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Dr. '''Ernst Jonach Ehrentreu''' ( | Der ehemalige Münchner Rabbiner Dr. '''Ernst Jonach Ehrentreu''' ( 1896 — 1981 ) | ||
==Biograf. Angaben== | |||
Ehrentreu (geb. 12. Mai 1896 in [[München]], gest. 11. November 1981 in London) kam als zweites von fünf Kindern zur Welt. Seine Mutter, Ida Eitel Ehrentreu, geborene Feuchtwanger, stammte aus [[Fürth]]. Ihr Mann, sein Vater, Heinrich Ehrentreu war Rabbiner der Münchner orthodoxen Juden bei [[Ohel Jakob]]. | |||
Während drei Jahren nahm Ernst Ehrentreu als Soldat am Ersten Weltkrieg teil, bevor er 1918 in [[München]] sein Studium begann, welches er in Berlin sowohl an der Universität, als auch am Rabbinerseminar fortsetzte. Er beendete es 1921 in Königsberg im damaligen Ostpreußen (heute russ.: Kaliningrad). | |||
Vom 16. Juli 1925 bis Ende 1926 war er als Rabbinatssubstitut bei der israelitischen Kultusgemeinde München angestellt. Nach dem Tod seines Vaters am 4. Januar 1927 trat Dr. Ehrentreu dann dessen Nachfolge als Rabbiner an der orthodoxen Synagoge an und lehrte an der jüdischen Volksschule in der [[Herzog-Rudolf-Straße]]. | Vom 16. Juli 1925 bis Ende 1926 war er als Rabbinatssubstitut bei der israelitischen Kultusgemeinde München angestellt. Nach dem Tod seines Vaters am 4. Januar 1927 trat Dr. Ehrentreu dann dessen Nachfolge als Rabbiner an der orthodoxen Synagoge an und lehrte an der jüdischen Volksschule in der [[Herzog-Rudolf-Straße]]. | ||
Am 2. Mai 1926 hatte Dr. Ehrentreu in Kissingen Jenny Fanny Ehrentreu, geb. Heckscher, geheiratet. | Am 2. Mai 1926 hatte Dr. Ehrentreu in Kissingen Jenny Fanny Ehrentreu, geb. Heckscher, geheiratet. Sie hatten sechs in München geborenen Kinder. | ||
== nach 1933== | |||
Mitten in der Nacht vom [[9. November 1938|9. auf den 10. November 1938]] drangen SA-Leute in die Synagoge der Religionsgemeinschaft Ohel-Jakob in der [[Herzog-Rudolf-Straße]] ein und verwüsteten die Einrichtung sowie die darin verwahrten Kultgegenstände. Der nichtjüdische Synagogendiener Joseph Eitelhuber, der von den SA-Männern als „Judenknecht“ verspottet wurde, konnte davonlaufen und den Rabbiner zur Hilfe holen. Bei dem Versuch, die 70 Thorarollen vor dem Feuer zu retten, wäre dieser beinahe selbst ins Feuer geworfen worden, als die Synagoge schließlich um 1.02 Uhr mit Petroleum und Benzin in Brand gesetzt wurde. Als Ehrentreu in seiner Verzweiflung aber darauf hinwies, dass er Familienvater sei, trat ein besonnener SA-Mann dazwischen und rettete ihm das Leben. Bei Eintreffen des Löschzuges stand die Synagoge bereits völlig in Flammen und als die Löscharbeiten, die bis zum Mittag des 10. November 1938 andauerten, beendet waren, gab es nur noch eine Ruine. | Mitten in der Nacht vom [[9. November 1938|9. auf den 10. November 1938]] drangen SA-Leute in die Synagoge der Religionsgemeinschaft Ohel-Jakob in der [[Herzog-Rudolf-Straße]] ein und verwüsteten die Einrichtung sowie die darin verwahrten Kultgegenstände. Der nichtjüdische Synagogendiener Joseph Eitelhuber, der von den SA-Männern als „Judenknecht“ verspottet wurde, konnte davonlaufen und den Rabbiner zur Hilfe holen. Bei dem Versuch, die 70 Thorarollen vor dem Feuer zu retten, wäre dieser beinahe selbst ins Feuer geworfen worden, als die Synagoge schließlich um 1.02 Uhr mit Petroleum und Benzin in Brand gesetzt wurde. Als Ehrentreu in seiner Verzweiflung aber darauf hinwies, dass er Familienvater sei, trat ein besonnener SA-Mann dazwischen und rettete ihm das Leben. Bei Eintreffen des Löschzuges stand die Synagoge bereits völlig in Flammen und als die Löscharbeiten, die bis zum Mittag des 10. November 1938 andauerten, beendet waren, gab es nur noch eine Ruine. | ||
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Im Januar [[1939]] musste er seine Stellung aufgeben, weil er, wie er selbst schreibt, vor „[s]einer Entlassung vom [[Konzentrationslager Dachau]] sich verpflichten musste, sofort Deutschland zu verlassen. Er emigrierte am 28. Februar 1939 mit seiner Frau und den sechs Kindern über Frankfurt nach London, wo er am 2. März 1939 ankam. | Im Januar [[1939]] musste er seine Stellung aufgeben, weil er, wie er selbst schreibt, vor „[s]einer Entlassung vom [[Konzentrationslager Dachau]] sich verpflichten musste, sofort Deutschland zu verlassen. Er emigrierte am 28. Februar 1939 mit seiner Frau und den sechs Kindern über Frankfurt nach London, wo er am 2. März 1939 ankam. | ||
Im Mai 1940 wurde er als „enemy alien“ von der engl. Regierung wie viele Flüchtlinge aus Deutschland auf der Isle of Man und kurze Zeit später in Australien interniert. Dort übte er zwei Jahre lang das Rabbineramt der Gemeinde Beth David in Melbourne aus. | Im Mai 1940 wurde er als „enemy alien“ von der engl. Regierung wie viele Flüchtlinge aus Deutschland auf der Isle of Man und kurze Zeit später in Australien interniert (so genannte feindliche Ausländer gab es in allen am Krieg beteiligten Ländern). Dort übte er zwei Jahre lang das Rabbineramt der Gemeinde Beth David in Melbourne aus. | ||
Von 1942 bis 1946 arbeitete Dr. Ehrentreu dann als Rabbiner in der Machzikai Hadath Gemeinde und war Mitglied des Rabbinergerichtes in St. Kilda, Australien. Nach sechs Jahren Internierung durfte er 1946 wieder nach England zu seiner Familie, die sich während dieser Zeit in Cambridge aufgehalten hatte, zurückkehren. Ein Jahr darauf nahm er dann die Stelle des Rabbiners der Gemeinde Kehal Adath Yeshurun in London an. | Von 1942 bis 1946 arbeitete Dr. Ehrentreu dann als Rabbiner in der Machzikai Hadath Gemeinde und war Mitglied des Rabbinergerichtes in St. Kilda, Australien. Nach sechs Jahren Internierung durfte er 1946 wieder nach England zu seiner Familie, die sich während dieser Zeit in Cambridge aufgehalten hatte, zurückkehren. Ein Jahr darauf nahm er dann die Stelle des Rabbiners der Gemeinde Kehal Adath Yeshurun in London an. | ||
==Nachkriegszeit, Lebensende == | |||
Am 20. Oktober 1953 wurde der von Dr. Ehrentreu gestellte Wiedergutmachungsantrag für „nationalsozialistisches Unrecht“ nach langem Streit mit monatlichen Versorgungsbezügen in Höhe von 644.- DM festgesetzt. Ehrentreu hatte nach eigenen Angaben eine staatlich anerkannte Stellung inne und war deshalb Mitglied des Bayerischen Versorgungsverbandes für Beamte, wohin er auch die „üblichen (nicht geringen) Beiträge bezahlt“ hat. | Am 20. Oktober 1953 wurde der von Dr. Ehrentreu gestellte Wiedergutmachungsantrag für „nationalsozialistisches Unrecht“ nach langem Streit mit monatlichen Versorgungsbezügen in Höhe von 644.- DM festgesetzt. Ehrentreu hatte nach eigenen Angaben eine staatlich anerkannte Stellung inne und war deshalb Mitglied des Bayerischen Versorgungsverbandes für Beamte, wohin er auch die „üblichen (nicht geringen) Beiträge bezahlt“ hat. | ||
Drei Jahre später, am 22. Dezember 1956 wurden Dr. Ehrentreu und seine Ehefrau auf Antragstellung wieder in den deutschen Staatsverband | Drei Jahre später, am 22. Dezember 1956 wurden Dr. Ehrentreu und seine Ehefrau auf Antragstellung wieder in den deutschen Staatsverband „eingebürgert“. Es ist nicht bekannt, aus welchem Grund dieser Antrag gestellt wurde und ob die Familie jemals wieder nach Deutschland zurückkehrte. | ||
1977 lebte er mit seiner Frau in London und starb dort am 11. November 1981. Jenny Fanny überlebte ihren Mann um 21 Jahre und fand schließlich im August 2002 ebenfalls in London ihre letzte Ruhe. | 1977 lebte er mit seiner Frau in London und starb dort am 11. November 1981. Jenny Fanny überlebte ihren Mann um 21 Jahre und fand schließlich im August 2002 ebenfalls in London ihre letzte Ruhe. |
Version vom 20. April 2021, 19:02 Uhr
Der ehemalige Münchner Rabbiner Dr. Ernst Jonach Ehrentreu ( 1896 — 1981 )
Biograf. Angaben
Ehrentreu (geb. 12. Mai 1896 in München, gest. 11. November 1981 in London) kam als zweites von fünf Kindern zur Welt. Seine Mutter, Ida Eitel Ehrentreu, geborene Feuchtwanger, stammte aus Fürth. Ihr Mann, sein Vater, Heinrich Ehrentreu war Rabbiner der Münchner orthodoxen Juden bei Ohel Jakob.
Während drei Jahren nahm Ernst Ehrentreu als Soldat am Ersten Weltkrieg teil, bevor er 1918 in München sein Studium begann, welches er in Berlin sowohl an der Universität, als auch am Rabbinerseminar fortsetzte. Er beendete es 1921 in Königsberg im damaligen Ostpreußen (heute russ.: Kaliningrad).
Vom 16. Juli 1925 bis Ende 1926 war er als Rabbinatssubstitut bei der israelitischen Kultusgemeinde München angestellt. Nach dem Tod seines Vaters am 4. Januar 1927 trat Dr. Ehrentreu dann dessen Nachfolge als Rabbiner an der orthodoxen Synagoge an und lehrte an der jüdischen Volksschule in der Herzog-Rudolf-Straße.
Am 2. Mai 1926 hatte Dr. Ehrentreu in Kissingen Jenny Fanny Ehrentreu, geb. Heckscher, geheiratet. Sie hatten sechs in München geborenen Kinder.
nach 1933
Mitten in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 drangen SA-Leute in die Synagoge der Religionsgemeinschaft Ohel-Jakob in der Herzog-Rudolf-Straße ein und verwüsteten die Einrichtung sowie die darin verwahrten Kultgegenstände. Der nichtjüdische Synagogendiener Joseph Eitelhuber, der von den SA-Männern als „Judenknecht“ verspottet wurde, konnte davonlaufen und den Rabbiner zur Hilfe holen. Bei dem Versuch, die 70 Thorarollen vor dem Feuer zu retten, wäre dieser beinahe selbst ins Feuer geworfen worden, als die Synagoge schließlich um 1.02 Uhr mit Petroleum und Benzin in Brand gesetzt wurde. Als Ehrentreu in seiner Verzweiflung aber darauf hinwies, dass er Familienvater sei, trat ein besonnener SA-Mann dazwischen und rettete ihm das Leben. Bei Eintreffen des Löschzuges stand die Synagoge bereits völlig in Flammen und als die Löscharbeiten, die bis zum Mittag des 10. November 1938 andauerten, beendet waren, gab es nur noch eine Ruine.
Dr. Ernst Ehrentreu wurde daraufhin wie etwa 1.000 andere männliche Juden aus München von der Gestapo festgenommen und als Aktionshäftling von der SS im Dachauer Konzentrationslager für die nächsten Wochen inhaftiert.
Im Januar 1939 musste er seine Stellung aufgeben, weil er, wie er selbst schreibt, vor „[s]einer Entlassung vom Konzentrationslager Dachau sich verpflichten musste, sofort Deutschland zu verlassen. Er emigrierte am 28. Februar 1939 mit seiner Frau und den sechs Kindern über Frankfurt nach London, wo er am 2. März 1939 ankam.
Im Mai 1940 wurde er als „enemy alien“ von der engl. Regierung wie viele Flüchtlinge aus Deutschland auf der Isle of Man und kurze Zeit später in Australien interniert (so genannte feindliche Ausländer gab es in allen am Krieg beteiligten Ländern). Dort übte er zwei Jahre lang das Rabbineramt der Gemeinde Beth David in Melbourne aus.
Von 1942 bis 1946 arbeitete Dr. Ehrentreu dann als Rabbiner in der Machzikai Hadath Gemeinde und war Mitglied des Rabbinergerichtes in St. Kilda, Australien. Nach sechs Jahren Internierung durfte er 1946 wieder nach England zu seiner Familie, die sich während dieser Zeit in Cambridge aufgehalten hatte, zurückkehren. Ein Jahr darauf nahm er dann die Stelle des Rabbiners der Gemeinde Kehal Adath Yeshurun in London an.
Nachkriegszeit, Lebensende
Am 20. Oktober 1953 wurde der von Dr. Ehrentreu gestellte Wiedergutmachungsantrag für „nationalsozialistisches Unrecht“ nach langem Streit mit monatlichen Versorgungsbezügen in Höhe von 644.- DM festgesetzt. Ehrentreu hatte nach eigenen Angaben eine staatlich anerkannte Stellung inne und war deshalb Mitglied des Bayerischen Versorgungsverbandes für Beamte, wohin er auch die „üblichen (nicht geringen) Beiträge bezahlt“ hat.
Drei Jahre später, am 22. Dezember 1956 wurden Dr. Ehrentreu und seine Ehefrau auf Antragstellung wieder in den deutschen Staatsverband „eingebürgert“. Es ist nicht bekannt, aus welchem Grund dieser Antrag gestellt wurde und ob die Familie jemals wieder nach Deutschland zurückkehrte.
1977 lebte er mit seiner Frau in London und starb dort am 11. November 1981. Jenny Fanny überlebte ihren Mann um 21 Jahre und fand schließlich im August 2002 ebenfalls in London ihre letzte Ruhe.
Quelle
- ERNST JONAH EHRENTREU (1896 BIS 1981), als eine Lehrerbiografie bei BLLV