Die Elf Scharfrichter: Unterschied zwischen den Versionen
Blass (Diskussion | Beiträge) (Nr.) |
Blass (Diskussion | Beiträge) Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
In [[München]] entstand während des Faschings 1901 im Umfeld der Satirezeitschrift »[[Simplicissimus]]« und unter dem Einfluss des »Akademisch-Dramatischen Vereins« eine neue Art des politischen Kabaretts. Beteiligt waren der spätere Direktor der »Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus«, [[Otto Falckenberg]], der Kritiker und Lyriker [[Leo Greiner]], der Schriftsteller [[Hanns von Gumppenberg|Hanns [Theodor Wilhelm Freiherr] von Gumppenberg]], [[Heinrich Lautensack]] und der in München lebende Franzose [[Marc Henry]]. Ihr Vorbild war das Cabaret »Chat Noir« (1881) in Paris. Eröffnet wurde das Theater am 12. April 1901 in der [[Türkenstraße]] 28 (im Stadtteil [[Maxvorstadt]]) | |||
Die Bühne war der leicht umgestaltete Paukboden im Rückgebäude der Gaststätte »Zum Goldenen Hirschen«. Das anfangs einzige weibliche Mitglied der »Scharfrichter«, [[Marya Delvard]] [d.i. Maria Joséphine Billère bzw. Biller], wurde der Star der Truppe, indem sie als Vamp auftrat und mit rauchig-verruchter Stimme damals in Deutschland noch ungewohnte ''Chansons'' vortrug wie Frank Wedekinds literarisches Dirnenlied ''Ilse''. Daneben wurden satirische Einakter aufgeführt. Wegen politisch-satirischer Anspielungen ergaben sich immer wieder Konflikte mit den Zensurbehörden. Von 9. bis 12. Dezember 1903 gastierte das Ensemble im Hotel Savoy in Wien. Bereits im Herbst 1904 wurde das Kabarett, das bis zu 35 Mitarbeiter beschäftigte und daher ständig unter finanziellen Problemen litt, wegen erheblicher Schulden aufgelöst. | |||
==Lieder, Musiknummern== | ==Lieder, Musiknummern== | ||
* Erntelied (Musik: Leonhardt Bulmans; Text: Richard Dehmel; 1901) | * Erntelied (Musik: Leonhardt Bulmans; Text: Richard Dehmel; 1901) | ||
* Lucrecia (Musik: Hannes Ruch [d.i. Hans Richard Weinhöppel]; Text: Hanns von Gumppenberg; kreiert von Friederike Gutmann-Umlauft; 1901) | * Lucrecia (Musik: Hannes Ruch [d.i. Hans Richard Weinhöppel]; Text: Hanns von Gumppenberg; kreiert von Friederike Gutmann-Umlauft; 1901) | ||
*Im Schloss Mirabell (Musik: H. Ruch [d.i. H.R. Weinhöppel]; Text: Otto Julius Bierbaum; 1901) | *Im Schloss Mirabell (Musik: H. Ruch [d.i. H.R. Weinhöppel]; Text: Otto Julius Bierbaum; 1901) | ||
*Der Tod singt (Musik: L. Bulmans; Text: Heinrich Lautensack; kreiert von Marya Delvard; 1901) | *Der Tod singt (Musik: L. Bulmans; Text: Heinrich Lautensack; kreiert von Marya Delvard; 1901) | ||
Zeile 19: | Zeile 19: | ||
<!-- | <!-- | ||
In München und damit auch aus dem Umfeld der Satirezeitschrift »Simplicissimus« sowie dem Einfluss des »Akademisch-Dramatischen Vereins« beschlossen der Dramaturg, später Direktor der »Münchner Kammerspiele« im »Schauspielhaus«, Otto Falckenberg, der Kritiker und Lyriker Leo Greiner, der Schriftsteller, Dramatiker und Theaterkritiker Hanns [Theodor Wilhelm Freiherr] von Gumppenberg, Heinrich Lautensack und zuvorderst der in München lebende Franzose Marc Henry während des Faschings 1901, ein neues Theater zu gründen. Vorbild war das Cabaret »Chat Noir« (1881) in Paris. | |||
Die Initiatoren, unter denen sich besonders ?? hervortat, verkauften Anteilscheine zu 100 Mark an Münchner Mäzene, um die Finanzierung der Bühne zu sichern. Eröffnet wurde das Theater am 12. April 1901 in der Türkenstraße 28 (Stadtteil Maxvorstadt) im umgestalteten Paukboden im Rückgebäude der Gaststätte »Zum Goldenen Hirschen«. Auf dem Programm stand die ERÖFFNUNGS-EXEKUTION, elf Mitwirkende traten in makabren Henker-Kostümen vor das Publikum. Am Eingang zum Zuschauerraum mit über 100 Sitzplätzen stand ein Totenkopf mit Richterperücke, in dem ein Beil steckte, sowie ein Pranger. 1903 gestaltete der auch als Karikaturist tätige Architekt Bruno Paul das berühmt-berüchtigte Plakat mit diesem Motiv. | |||
Frank Wedekind [d.i. Benjamin Franklin W.] war 1901/1902 einer der »Elf Scharfrichter«, er sang nach eigenen Kompositionen Lieder und moritatenhafte Bänkelgesänge zur Gitarre. Ausgewählte Lieder und Gedichte aus dieser Zeit erschienen unter dem Titel GREIFE WACKER NACH DER SÜNDE. | |||
Dreimal wöchentlich präsentierten die »Scharfrichter« monatlich wechselnde EXEKUTIONEN mit literarischen Chansons, Rezitationen, Tänze, Sketche und Einakter, Volkslieder, auch Schatten- und Puppenspiele. Leo Greiner verfasste eine Scharfrichter-Ballade, der Komponist Hannes Ruch [d.i. Hans | |||
Richard Weinhöppel] komponierte dazu den Scharfrichter-Marsch. Das anfangs einzige weibliche Mitglied der »Scharfrichter«, Marya Delvard [d.i. Maria Joséphine Billère bzw. Biller], wurde zugleich deren Star, indem sie als Vamp auftrat und mit rauchig-verruchter Stimme damals in Deutschland noch ungewohnte Chansons vortrug, ferner Frank Wedekinds literarisches Dirnenlied Ilse. Daneben wurden satirische Einakter aufgeführt. Wegen politisch-satirischer Anspielungen ergaben sich immer wieder Konflikte mit den Zensurbehörden. Von 9. bis 12. Dezember 1903 gastierte das Ensemble im Hotel Savoy in Wien. Bereits im Herbst 1904 wurde das Kabarett, das bis zu 35 Mitarbeiter beschäftigte und daher ständig unter finanziellen Problemen litt, wegen erheblicher Schulden aufgelöst. | |||
Falckenberg] - Das Cabaret zum leeren Schmortopf. Geschichte einer Über-Gründung in einem Aufzug. Text: W. Paulus. - Auf der Puppenbühne: Prinzessin Pim und Laridah, ihr Sänger. Aufgeführt von Paul Larsen. - Lieder, Musik: von Hannes Ruch. Text von Jodok, gesungen von Marya Delvard. - Balladen vom Scharfrichter Frank Wedekind, zur Guitarre vorgetragen von Ihm selbst. - Die Kokette. Eine musikalische Szene, Musik von Scharfrichter Hannes Ruch, Text von Jodok [d.i. Hanns von Gumppenberg], vorgetragen von Anita Stanner. – Rosen, Musik von Hannes Ruch, Text: Otto Julius Bierbaum, vorgetragen von A. Stanner. - Chanson françaises modernes, chantées par le Scharfrichter Balthasar Starr. – Lieder, gesungen vom Scharfrichter Frigidius Strang [d.i. Robert Kothe]. - Zwei musikalische Szenen, gesungen von Emmanuel Franz. | Falckenberg] - Das Cabaret zum leeren Schmortopf. Geschichte einer Über-Gründung in einem Aufzug. Text: W. Paulus. - Auf der Puppenbühne: Prinzessin Pim und Laridah, ihr Sänger. Aufgeführt von Paul Larsen. - Lieder, Musik: von Hannes Ruch. Text von Jodok, gesungen von Marya Delvard. - Balladen vom Scharfrichter Frank Wedekind, zur Guitarre vorgetragen von Ihm selbst. - Die Kokette. Eine musikalische Szene, Musik von Scharfrichter Hannes Ruch, Text von Jodok [d.i. Hanns von Gumppenberg], vorgetragen von Anita Stanner. – Rosen, Musik von Hannes Ruch, Text: Otto Julius Bierbaum, vorgetragen von A. Stanner. - Chanson françaises modernes, chantées par le Scharfrichter Balthasar Starr. – Lieder, gesungen vom Scharfrichter Frigidius Strang [d.i. Robert Kothe]. - Zwei musikalische Szenen, gesungen von Emmanuel Franz. |
Version vom 29. Dezember 2017, 10:10 Uhr
In München entstand während des Faschings 1901 im Umfeld der Satirezeitschrift »Simplicissimus« und unter dem Einfluss des »Akademisch-Dramatischen Vereins« eine neue Art des politischen Kabaretts. Beteiligt waren der spätere Direktor der »Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus«, Otto Falckenberg, der Kritiker und Lyriker Leo Greiner, der Schriftsteller Hanns [Theodor Wilhelm Freiherr] von Gumppenberg, Heinrich Lautensack und der in München lebende Franzose Marc Henry. Ihr Vorbild war das Cabaret »Chat Noir« (1881) in Paris. Eröffnet wurde das Theater am 12. April 1901 in der Türkenstraße 28 (im Stadtteil Maxvorstadt)
Die Bühne war der leicht umgestaltete Paukboden im Rückgebäude der Gaststätte »Zum Goldenen Hirschen«. Das anfangs einzige weibliche Mitglied der »Scharfrichter«, Marya Delvard [d.i. Maria Joséphine Billère bzw. Biller], wurde der Star der Truppe, indem sie als Vamp auftrat und mit rauchig-verruchter Stimme damals in Deutschland noch ungewohnte Chansons vortrug wie Frank Wedekinds literarisches Dirnenlied Ilse. Daneben wurden satirische Einakter aufgeführt. Wegen politisch-satirischer Anspielungen ergaben sich immer wieder Konflikte mit den Zensurbehörden. Von 9. bis 12. Dezember 1903 gastierte das Ensemble im Hotel Savoy in Wien. Bereits im Herbst 1904 wurde das Kabarett, das bis zu 35 Mitarbeiter beschäftigte und daher ständig unter finanziellen Problemen litt, wegen erheblicher Schulden aufgelöst.
Lieder, Musiknummern
- Erntelied (Musik: Leonhardt Bulmans; Text: Richard Dehmel; 1901)
- Lucrecia (Musik: Hannes Ruch [d.i. Hans Richard Weinhöppel]; Text: Hanns von Gumppenberg; kreiert von Friederike Gutmann-Umlauft; 1901)
- Im Schloss Mirabell (Musik: H. Ruch [d.i. H.R. Weinhöppel]; Text: Otto Julius Bierbaum; 1901)
- Der Tod singt (Musik: L. Bulmans; Text: Heinrich Lautensack; kreiert von Marya Delvard; 1901)
- Ilse (Musik: Oscar Straus; Text: Frank Wedekind; kreiert von M. Delvard; 1902)
- Brigitte B. (Musik, Text und Gesang: F. Wedekind; kreiert von M. Delvard; 1902)
- Babette (Musik: H. Ruch [d.i. H.R. Weinhöppel]; Text: Jodok [d.i. Hanns von Gumppenberg]; kreiert von Olly Bernhardi; 1902)
- Ich hab' meine Tante geschlachtet (Text: F. Wedekind)
Literatur
- JUDITH KEMP: Ein winzig Bild vom großen Leben. Zur Kulturgeschichte von Münchens erstem Kabarett »Die Elf Scharfrichter« (1901–1904). München, Allitera, 2017.