Todesmärsche und Todeszüge

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Informationen über Bahntransporte und Fußmärsche aus dem KZ Dachau kurz vor Kriegsende im April und Mai 1945.

Im März, April und Mai 1945 versuchte die SS, beim Näherkommen der Front — und damit flüchteten sie auch vor ihrer von den Alliierten angekündigten Bestrafung – den Großteil der noch gehfähigen Häftlinge aus dem Frontbereich der alliierten Truppen zu „evakuieren“ (so der Tarnausdruck). Der Marsch der zerlumpten und zum Teil sterbenskranken Opfer führte quer durch viele Orte, deren Einwohner bisher noch keine größere Zahl der als Verbrecher diffamierten Häftlinge gesehen hatten. (Im Unterschied vor allem zu den Standorten der Konzentrationslager und den Großstädten, in denen es viele unterschiedlich große "Lager" gab, auch wenn sie nicht Konzentrationslager hießen.)

Todesmärsche

Der SS-Führer Ruppert war dem Todesmarsch/Evakuierung/Räumungsmarsch der Häftlinge aus dem KZ im April 1945 zugeteilt. Der Todesmarsch beginnt am Abend des 26. April und ging durch Pasing, Wolfratshausen, Bad Tölz zum Tegernsee und endete am 30. April. Kurz darauf wurde Ruppert durch die Amerikaner verhaftet.

Die Seite des Vereins "Gedenken im Würmtal" (gz-tm-dachau.de) fasst Informationen über Bahntransporte und Fußmärsche so zusammen (wird hier zitiert ) — fünf "Dachauer Züge"

Emmering - Mittenwald

Am 23. April 1945, also auf jeden Fall noch vor der Ankunft von Häftlingen aus KZ Landsberg/Kaufering, wurden 2000 Häftlinge aus dem KZ Dachau in Emmering auf einen Zug in Richtung Alpen verladen. Da die Garmischer Hauptstrecke über Starnberg schon zerstört war, fuhr dieser Bahntransport über die Isartalbahn-Nebenstrecke durch das Loisachtal bis Bahnhof Bichl. Von dort zurück nach Norden bis Bernried oder Tutzing am Starnberger See, dann wieder nach Süden über die noch intakte Bahnstrecke nach Garmisch und weiter in Richtung Innsbruck. Am 28. April erreichte dieser Zug Seefeld in Tirol.

Die Fahrt durfte nicht weiter in Richtung Inntal fortgesetzt werden. Die Häftlinge mussten zurück nach Norden marschieren, bis Mittenwald.

Am 4. Mai wurden dort 1.900 Häftlinge von US-Truppen befreit. Viele überlebten die fünftägigen Strapazen nicht. In Seefeld wurden 63 Leichen, in Mittenwald 107 Leichen gezählt. Diese Bahntransporte waren für viele Gefangenen zugleich auch Todeszüge — im Sinne von einem Massenmord-Werkzeug. Da der SS die Verhältnisse auf den Strecken bestens bekannt waren und sie meist auch gar nicht für die Verpflegung sorgten, ist klar, dass sie die Züge zu diesem Zweck und der Verschleierung des KZ-Lager-Systems benutzt haben.

Emmering - Seeshaupt

Ein zweiter Dachauer Bahntransport, der auch im Bahnhof Emmering verladen wurde, fuhr am 25. April 1945 mit 3.000 Häftlingen ebenfalls über die Isartal-Strecke in Richtung Süden. Am Bahnhof Beuerberg, wo der Zug zur Verpflegung hielt, wurde dieser von amerikanischen Tieffliegern beschossen. Da die Lokomotive beschädigt war, wurde dieser Dachauer Zug mit einem Teilzug des Mühldorfer Transports (siehe unten) zusammengekoppelt. Der Doppelzug fuhr von Beuerberg aus einen chaotischen Weg erst über Bichl nach Kochel am Rande der Alpen, dann wieder über Bichl zurück nach Norden bis Seeshaupt, wo sich der Lokomotivführer am 30. April von dem Zug abkoppelte, um nicht weiter Opfer von Tieffliegerangriffen zu sein. Die überlebenden Häftlinge wurden noch am selben Tag in Seeshaupt von US-Truppen befreit.

Die Zahl der Verstorbenen während der Fahrt der beiden Teilzüge und insbesondere durch den Tiefflieger-Beschuss bei Mühldorf, Poing und Beuerberg kann nicht genau rekonstruiert werden. Da die meisten Toten in Beuerberg - wie Augenzeugen berichten - auf einen Güterwaggon geworfen wurden. Die 18 Toten eines Grabes in Beuerberg können nicht zwingend diesem Bahntransport zugeordnet werden, da es sich auch um Verstorbene der 5.000 Häftlinge des "Todesmarsches von Dachau" handeln könnte, die bis Beuerberg kamen und dort am 30. April befreit wurden.

Ausschlaggebend ist, dass mehrere Zeitzeugen berichteten, dass der Zug nach dem Luftangriff mit den Leichen nach Seeshaupt weiterfuhr. Die 92 Leichen, die in Seeshaupt begraben wurden, können diesem Doppeltransport mit Dachauer und Mühldorfer Häftlingen zugeordnet werden.

Emmering - Iffeldorf/Staltach

Ein dritter Dachauer Bahntransport fuhr am 26. April 1945 mit 2.600 Häftlingen von Emmering über die Isartalbahn-Strecke in Richtung Alpen. Von Bichl fuhr er ebenfalls wieder zurück nach Norden - in Richtung Westufer des Starnberger Sees - in Richtung Front.

Der Zug konnte am 30. April nur noch bis Staltach bei Seeshaupt fahren, wo die Häftlinge am selben Tag befreit wurden. Es gibt keine Detailinformation über die Herkunft der Häftlinge und keine genauen Zahlen über die Zahl der Toten.

In Iffeldorf wurden 17 Leichen gezählt, in dem benachbarten Penzberg 5.

Emmering - Wolfratshausen

Ein vierter Dachauer Bahntransport fuhr am 27. April 1945 mit 2000 Häftlingen von Emmering über die Isartalbahn-Strecke bis Wolfratshausen.

Die Häftlinge mussten sich dort dem Fußmarsch der 7.000 Häftlinge anschließen, die am Abend des 26. April das KZ Dachau verlassen hatten und nach zwei Nachtmärschen durch das Würmtal und von Starnberg bis zum Loisachtal das zweite Etappenlager bei Achmühle/Bolzwang erreicht hatten.

In diesem vierten Dachauer Bahntransport befanden sich nach Aussagen von betroffenen Zeitzeugen auch Häftlinge aus Landsberg/Kaufering. Diese Auskünfte und das Datum sprechen für die Wahrscheinlichkeit, dass sie - wie oben vermutet - vom Westen kommend nicht nach Dachau weitermarschierten, sondern in Emmering auf die Bahn verladen wurden.

Gab es einen fünften Zug aus Dachau?

In einer Niederschrift der SS-Schreibstube des Dachauer KZ vermerkt der "Schutzhaftlagerführer" am 27. April 1945, dass am 26. April neben den 6.887 Häftlingen der "Marschsäulen" auch 1.759 jüdische Häftlinge mit einem Bahntransport das KZ Dachau verlassen hätten. Da der vierte und der fünfte "Dachauer Zug" fast zur selben Zeit von Emmering nach Süden "auf Transport" gewesen sein soll, könnte es sich um ein und dieselbe Häftlingsgruppe handeln. Nach einer Quelle soll es sich bei dem "Bahntransport (Juden) 1759" um einen Zug mit Häftlingen aus den KZ-Lagern Buchenwald und Flossenbürg gehandelt haben. Tatsächlich ist am 26.4. ein Häftlingszug aus Buchenwald und Flossenbürg - nach einer Irrfahrt durch die Tschechei und Niederbayern - im KZ Dachau angekommen, wurde jedoch grausamerweise erst nach der Befreiung am 29.4. "entladen" - die Lebenden und die Toten (siehe "Todesmarsch von Dachau" > Informationen).

Späteres

Späteres DP-Lager in einer NS-Schule in Feldafing

Gedenksteine in der Region

  • Seeshaupter Mahnmal (1995, Zur Liebe - Nicht zum Hass - Bin ich; zusammengeschweißte Eisenteile)
  • Gauting, am jüdischen Friedhof
  • Das von Hubertus von Pilgrim geschaffene Bronzedenkmal mit den stilisierten KZ-Häftlingen erinnert seit 1989 an verschiedenen Stellen an diesen Marsch.

Filme

  • Walter Steffen: Endststation Seeshaupt 2010
  • Beatrice Sonnhüter: Der Mühldorfer Todeszug (Der damals 14 Jahre alte Leslie Schwartz kommt immer wieder nach Oberbayern an die Bahnstrecken, die sein Leben bedeuten. Erst durch die Begegnung mit jungen Menschen am Franz-Marc-Gymnasium in Markt Schwaben kann er nach Jahren darüber sprechen. 3.600 KZ-Häftlinge des KZ-Außenkommandos Mühldorf werden in 60 bis 80 Waggons "abtransportiert".
  • Marcus Siebler: 13,5 km (Bericht des 80jährigen Xaver Neumeier aus Hirnkirchen über eine Marschkolonne)

Webseiten zu dem Thema

Die Schwierigkeit mit dem Gedenken