Kunst und Memoria: Unterschied zwischen den Versionen

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*KATALOG DER AUSGEWÄHLTEN GRABSTÄTTEN
*KATALOG DER AUSGEWÄHLTEN GRABSTÄTTEN
Ein Katalog von 186 ausgewählten Grabmalen, diese 300 Seiten stellen den Hauptteil des Buches dar. Nach Lagen auf dem Feld.
* ALTER TEIL
* ALTER TEIL


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NEUE ARKADEN
NEUE ARKADEN
GRABFELDER 27-42
GRABFELDER 27-42
KÜNSTLERBIOGRAPHIEN MIT WERKVERZEICHNISSEN
 
DIE FÜR DEN ALTEN SÜDLICHEN FRIEDHOF TÄTIGEN ARCHITEKTEN, BILDHAUER, GIESSER, MALER UND STEINMETZEN
 
* KÜNSTLERBIOGRAPHIEN MIT WERKVERZEICHNISSEN - DIE FÜR DEN ALTEN SÜDLICHEN FRIEDHOF TÄTIGEN ARCHITEKTEN, BILDHAUER, GIESSER, MALER UND STEINMETZEN
 
Claudia Denk • John Ziesemer
Claudia Denk • John Ziesemer
(über 100 Künstler, Kunsthandwerker …)


* ANHANG
* ANHANG
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In der Gesamtschau ermöglichen die Befunde weit reichende Einblicke in die «Grabmalstrategien» (S. 79) vor allem der Münchner Oberschichten, was in dem Ka- talog vorangestellten Beiträgen aspektreich und für ver- gleichbare Untersuchungen inspirierend analysiert wird. So liegt vielen Grabmalen die Doppelintention zugrun- de, memoriales Denkmal und zugleich Kunstwerk zu seinundalsbeideswahrgenommenzuwerden.Dabei konnte der künstlerische Wert bedingen, dass das Grabmal trotz Ablauf des Nutzungsrechtes zur Berei- cherung des Friedhofserscheinungsbildes stehen blieb, womit auch die memoriale Funktion verlängert wurde.
In der Gesamtschau ermöglichen die Befunde weit reichende Einblicke in die «Grabmalstrategien» (S. 79) vor allem der Münchner Oberschichten, was in dem Ka- talog vorangestellten Beiträgen aspektreich und für ver- gleichbare Untersuchungen inspirierend analysiert wird. So liegt vielen Grabmalen die Doppelintention zugrun- de, memoriales Denkmal und zugleich Kunstwerk zu seinundalsbeideswahrgenommenzuwerden.Dabei konnte der künstlerische Wert bedingen, dass das Grabmal trotz Ablauf des Nutzungsrechtes zur Berei- cherung des Friedhofserscheinungsbildes stehen blieb, womit auch die memoriale Funktion verlängert wurde.
Die neue, den barocken Sensenmann ablösende Vorstellung vom «schönen Tod», die von Lessing aufge- griffene Homer'sche Verbrüderung von Schlaf und Tod, findet 1831/33 eine eindrückliche Umsetzung am Grab- mal des königlichen Zentralgaleriedirektors Johann Christian von Mannlich und seiner Tochter Caroline, welche Johann Baptist Stiglmaier, in Anlehnung an Rauchs Grabfigur der preußischen Königin Luise, in Bronze als Liegefigur auf einem Sarkophag, einer Schlafenden gleich, darstellte – und damit auch seine eigene Kunstfertigkeit zu Schau stellte.
Die neue, den barocken Sensenmann ablösende Vorstellung vom «schönen Tod», die von Lessing aufge- griffene Homer'sche Verbrüderung von Schlaf und Tod, findet 1831/33 eine eindrückliche Umsetzung am Grab- mal des königlichen Zentralgaleriedirektors Johann Christian von Mannlich und seiner Tochter Caroline, welche Johann Baptist Stiglmaier, in Anlehnung an Rauchs Grabfigur der preußischen Königin Luise, in Bronze als Liegefigur auf einem Sarkophag, einer Schlafenden gleich, darstellte – und damit auch seine eigene Kunstfertigkeit zu Schau stellte.
In etlichen Fällen gelingt der Nachweis einer Bezug- nahme auf Grabmal-Vorlagenbücher, welche teilweise von namhaften Künstlern geschaffen wurden und im 19. Jahrhundert eine neue Blüte erlangten. Mit den Vorla- genbüchern wollte man auch niedrigeren Gesell- schaftsschichten ein würdiges Grabmal ermöglichen, daneben auch geschmacksbildend wirken, wenn nicht
In etlichen Fällen gelingt der Nachweis einer Bezug- nahme auf Grabmal-Vorlagenbücher, welche teilweise von namhaften Künstlern geschaffen wurden und im 19. Jahrhundert eine neue Blüte erlangten. Mit den Vorla- genbüchern wollte man auch niedrigeren Gesell- schaftsschichten ein würdiges Grabmal ermöglichen, daneben auch geschmacksbildend wirken, wenn nicht geschmackserziehend. Wenn es in dem frühesten für München nachweisbaren Musterbuch «Grabsteine und Denkmale» aus der Hand des Malers Wilhelm Rehlen 1823 heißt, Ziel sei es, «Wohlfeilheit, Zweckmäßigkeit und Schönheit zu vereinigen» (S. 137), so klingt das fast schon wie eine Vorwegnahme der Friedhofsreformbe- strebungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die mitun- ter ja auch von München aus ihren Anfang nahmen.
geschmackserziehend. Wenn es in dem frühesten für München nachweisbaren Musterbuch «Grabsteine und Denkmale» aus der Hand des Malers Wilhelm Rehlen 1823 heißt, Ziel sei es, «Wohlfeilheit, Zweckmäßigkeit und Schönheit zu vereinigen» (S. 137), so klingt das fast schon wie eine Vorwegnahme der Friedhofsreformbe- strebungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die mitun- ter ja auch von München aus ihren Anfang nahmen.
 
Anhand der Beschaffenheit der Grabmale widmen sich die Autoren auch umfänglich Fragen der Material- ikonographie und -ikonologie. Zu Recht heben sie den bislang kaum in der Forschung beachteten Umstand hervor, dass die Polychromiedebatte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die dadurch «entfachte Poly- chromiebegeisterung gerade auch im Bereich der Grab- malkunst deutliche Spuren hinterlassen hat» (S. 157). Farbige Fassungen der Grabmale können anhand von Entwürfen, ebenso mittels naturwissenschaftlicher Ana- lysen von an Grabmalen erhaltenen Farbresten belegt werden. Polychromie bedingt ebenso der differenzierte Einsatz von Gesteinen und Metallen, mit welchen man spezifische repräsentative Ansprüche verband. Über- schriften wie «Blütenweißer Marmor – christliche Unbe- flecktheit» (S. 174), «Hart und bunt – neue Gesteine im Dienst einer dauerhaften Memoria» (S. 176) deuten das komplexe Themenfeld an, das fundiert ausgelotet wird. Da der Fokus auf den künstlerisch bedeutenden Grab- malen liegt, bleiben typische «Durchschnittsgestaltun- gen», ebenso die im ausgehenden 19. Jahrhundert auf- kommenden seriellen Grabplastiken weitgehend unberücksichtigt. Auch hier gäbe es Anknüpfungspunk- te. So wird etwa beim Grabmal des Malers Wilhelm von Kaulbach (Kat. Nr. 33) auf variierende Nachahmungen des allegorischen Reliefs im Friedhof hingewiesen. Tat- sächlich fand die schwebende weibliche Gestalt mit Pinsel und Palette geringfügig verändert als Rosen- streuende mit Palmzweig in unterschiedlichsten Mate- rialien europaweit serielle Verwendung, auch als Metall- relief der WMF.4
Anhand der Beschaffenheit der Grabmale widmen sich die Autoren auch umfänglich Fragen der Materialikonographie und -ikonologie. Zu Recht heben sie den bislang kaum in der Forschung beachteten Umstand hervor, dass die Polychromiedebatte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die dadurch «entfachte Polychromiebegeisterung gerade auch im Bereich der Grabmalkunst deutliche Spuren hinterlassen hat» (S. 157). Farbige Fassungen der Grabmale können anhand von Entwürfen, ebenso mittels naturwissenschaftlicher Ana- lysen von an Grabmalen erhaltenen Farbresten belegt werden. Polychromie bedingt ebenso der differenzierte Einsatz von Gesteinen und Metallen, mit welchen man spezifische repräsentative Ansprüche verband. Über- schriften wie «Blütenweißer Marmor – christliche Unbeflecktheit» (S. 174), «Hart und bunt – neue Gesteine im Dienst einer dauerhaften Memoria» (S. 176) deuten das komplexe Themenfeld an, das fundiert ausgelotet wird. Da der Fokus auf den künstlerisch bedeutenden Grab- malen liegt, bleiben typische «Durchschnittsgestaltun- gen», ebenso die im ausgehenden 19. Jahrhundert auf- kommenden seriellen Grabplastiken weitgehend unberücksichtigt. Auch hier gäbe es Anknüpfungspunk- te. So wird etwa beim Grabmal des Malers Wilhelm von Kaulbach (Kat. Nr. 33) auf variierende Nachahmungen des allegorischen Reliefs im Friedhof hingewiesen. Tat- sächlich fand die schwebende weibliche Gestalt mit Pinsel und Palette geringfügig verändert als Rosen- streuende mit Palmzweig in unterschiedlichsten Mate- rialien europaweit serielle Verwendung, auch als Metall- relief der WMF.
Im Buchanhang gibt es mit den auch durch archiva- lische Quellenforschungen zusammengetragenen Bio- grafien der über 100 feststellbar auf dem Friedhof täti- gen Künstler nun endlich einen Überblick über die Münchner Bildhauer des 19. Jahrhunderts zumindest für den wichtigen Bereich der Sepulkralkunst. Neben ausgewählten Quellen bietet der Anhang ferner ein Quellenverzeichnis, ein Personen- und Grabstätten- register samt Übersichtsplan sowie ein Literaturver- zeichnis, welches, auch wenn man Titel vermisst,5 eindrucksvoll die mittlerweile breite Auffächerung der sepulkralhistorischen Forschung vor allem im deutschsprachigen Raum widerspiegelt.
 
Im Buchanhang gibt es mit den auch durch archivalische Quellenforschungen zusammengetragenen Biografien der über 100 feststellbar auf dem Friedhof tätigen Künstler nun endlich einen Überblick über die Münchner Bildhauer des 19. Jahrhunderts zumindest für den wichtigen Bereich der Sepulkralkunst. Neben ausgewählten Quellen bietet der Anhang ferner ein Quellenverzeichnis, ein Personen- und Grabstättenregister samt Übersichtsplan sowie ein Literaturverzeichnis, welches, auch wenn man Titel vermisst, eindrucksvoll die mittlerweile breite Auffächerung der sepulkralhistorischen Forschung vor allem im deutschsprachigen Raum widerspiegelt.


Es ist das große Verdienst von Claudia Denk und John Ziesemer, die im Krieg weitgehend zerstörte Anla- ge «als einen seinerzeit neuen sepulkralen Ort erlebbar und seine damalige gesellschaftliche Aktualität mög- lichst als Ganzheit wieder begreifbar» gemacht zu ha- ben, nämlich «als einen Ort der Memoria mit eminent identitätsstiftender Funktion und zugleich als einen Ort der Kunst [...], der sich im Verein mit seinen berühmten Toten früh einen weit über München hinausreichenden Ruf erwerben konnte.» (S. 21). Zugleich erfährt das ge- rade in der Sepulkralkunst immer noch unterbewertete bildhauerische Schaffen des 19. Jahrhunderts eine fun- dierte Würdigung. Dem gut lesbaren, reich und qualität- voll bebilderten, anspruchsvoll von Edgar Endl gestalte- ten Buch ist daher eine breite Rezeption zu wünschen. Die intensive monografische Bearbeitung der einzelnen Grabmale setzt hinsichtlich neuzeitlicher Friedhöfe einen Standard, der als Vorbild für vergleichbare Forschungen angesehen werden kann. Der hieraus resul- tierende beträchtliche Ertrag sollte für die Stadt München Ansporn sein, der Zukunft des heute vor allem als Freizeitpark genutzten Alten Südlichen Friedhofs noch mehr Augenmerk zu widmen durch eine «konti- nuierliche und intensive fachliche Betreuung durch (Kunst-)Historiker(innen)», wie sie der Münchner Stadt- archivleiter Michael Stephan im Vorwort fordert (S. 13). Das gilt ebenso für den Alten Nördlichen Friedhof und die für die deutsche Friedhofskultur wegweisenden, um 1900 entstandenen Anlagen von Hans Grässel (West-, Ost-, Nord- und Waldfriedhof), denen man analoge Untersuchungen wünschen möchte. Ob Buch und Grabmalinventar tatsächlich als wünschenswerte «Grundlage für zukünftige Pflegewerke und Entschei- dungsfindungen bei restauratorischen Einzelmaßnah- men dienen» (S. 13) werden, muss sich zukünftig noch erweisen. Derzeit lässt sich wohl kaum abschätzen, ob man langfristig das noch erhaltene künstlerische und kulturelle Erbe des Alten Südlichen Friedhofs, dessen trotz Verlusten immer noch enormer Reichtum hier dokumentiert wird, sichern kann – eventuell gar durch eine Neunutzung als Urnenfriedhof, wie es in anderen Städten, etwa Saarbrücken, schon seit geraumer Zeit bei historischen innerstädtischen Friedhöfen praktiziert wird. Ein entsprechender gesellschaftlicher Rückhalt wird in jedem Fall erforderlich sein.
Es ist das große Verdienst von Claudia Denk und John Ziesemer, die im Krieg weitgehend zerstörte Anlage «als einen seinerzeit neuen sepulkralen Ort erlebbar und seine damalige gesellschaftliche Aktualität möglichst als Ganzheit wieder begreifbar» gemacht zu haben, nämlich «als einen Ort der Memoria mit eminent identitätsstiftender Funktion und zugleich als einen Ort der Kunst [...], der sich im Verein mit seinen berühmten Toten früh einen weit über München hinausreichenden Ruf erwerben konnte.» (S. 21). Zugleich erfährt das ge- rade in der Sepulkralkunst immer noch unterbewertete bildhauerische Schaffen des 19. Jahrhunderts eine fun- dierte Würdigung. Dem gut lesbaren, reich und qualität- voll bebilderten, anspruchsvoll von Edgar Endl gestalte- ten Buch ist daher eine breite Rezeption zu wünschen. Die intensive monografische Bearbeitung der einzelnen Grabmale setzt hinsichtlich neuzeitlicher Friedhöfe einen Standard, der als Vorbild für vergleichbare Forschungen angesehen werden kann. Der hieraus resul- tierende beträchtliche Ertrag sollte für die Stadt München Ansporn sein, der Zukunft des heute vor allem als Freizeitpark genutzten Alten Südlichen Friedhofs noch mehr Augenmerk zu widmen durch eine «konti- nuierliche und intensive fachliche Betreuung durch (Kunst-)Historiker(innen)», wie sie der Münchner Stadt- archivleiter Michael Stephan im Vorwort fordert (S. 13). Das gilt ebenso für den Alten Nördlichen Friedhof und die für die deutsche Friedhofskultur wegweisenden, um 1900 entstandenen Anlagen von Hans Grässel (West-, Ost-, Nord- und Waldfriedhof), denen man analoge Untersuchungen wünschen möchte. Ob Buch und Grabmalinventar tatsächlich als wünschenswerte «Grundlage für zukünftige Pflegewerke und Entschei- dungsfindungen bei restauratorischen Einzelmaßnah- men dienen» (S. 13) werden, muss sich zukünftig noch erweisen. Derzeit lässt sich wohl kaum abschätzen, ob man langfristig das noch erhaltene künstlerische und kulturelle Erbe des Alten Südlichen Friedhofs, dessen trotz Verlusten immer noch enormer Reichtum hier dokumentiert wird, sichern kann – eventuell gar durch eine Neunutzung als Urnenfriedhof, wie es in anderen Städten, etwa Saarbrücken, schon seit geraumer Zeit bei historischen innerstädtischen Friedhöfen praktiziert wird. Ein entsprechender gesellschaftlicher Rückhalt wird in jedem Fall erforderlich sein.


Endnoten
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