Sendlinger Mordweihnacht: Unterschied zwischen den Versionen

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== Der geschichtliche Hintergrund ==
== Der geschichtliche Hintergrund ==
=== Die Exilierung des Bayerischen Kurfürsten nach der Schlacht bei Höchstädt im August 1704 ===
=== Die Exilierung des Bayerischen Kurfürsten nach der Schlacht bei Höchstädt im August 1704 ===
 
Mit dem Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs scherte Bayern in einer aufsehenerregenden diplomatischen Aktion aus der Großen Allianz der Niederlande, Großbritanniens und der meisten Territorien des deutschen Reiches (HRRDN) aus. Im Konflikt, der zwischen Paris und [[Wien]] um die Krone Spaniens ausgefochten werden sollte, würde Bayern zu Frankreich halten. Die Entscheidung brachte das Land zwar in das Bündnis zurück, das bis in die 1670er bestand. Kurfürst [[Maximilian II. Emanuel|Max Emanuel]] hatte jedoch selbst nach seinem Machtantritt 1678 den Wechsel von Frankreich zum Erzherzogtum Österreich betrieben. Mit einer Österreicherin verheiratet hatte er auf eine politische Standeserhöhung gehofft, wie sie vom Kaiserhaus in Wien ausgehen konnte. Die Belohnung hätte in Anbetracht des bayerischen Engagements im Türkenkrieg in einer Königswürde liegen können. Der Bündniswechsel von 1702 kam nach dieser Vorgeschichte als politischer Eklat Bayerns gegenüber den Territorien des Reichs, und im Bruch des Bündnisses, das Max Emanuel selbst eingerichtet hatte.
Mit dem Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs scherte Bayern in einer aufsehenerregenden diplomatischen Aktion aus der Großen Allianz der Niederlande, Großbritanniens und der meisten Territorien des deutschen Reiches (HRRDN) aus. Im Konflikt, der zwischen Paris und Wien um die Krone Spaniens ausgefochten werden sollte, würde Bayern zu Frankreich halten. Die Entscheidung brachte das Land zwar in das Bündnis zurück, das bis in die 1670er bestand. Kurfürst [[Maximilian II. Emanuel|Max Emanuel]] hatte jedoch selbst nach seinem Machtantritt 1678 den Wechsel von Frankreich zum Erzherzogtum Österreich betrieben. Mit einer Österreicherin verheiratet hatte er auf eine politische Standeserhöhung gehofft, wie sie vom Kaiserhaus in Wien ausgehen konnte. Die Belohnung hätte in Anbetracht des bayerischen Engagements im Türkenkrieg in einer Königswürde liegen können. Der Bündniswechsel von 1702 kam nach dieser Vorgeschichte als politischer Eklat Bayerns gegenüber den Territorien des Reichs, und im Bruch des Bündnisses, das Max Emanuel selbst eingerichtet hatte.


Der Spanische Erbfolgekrieg (1702-1712) sollte letzten Endes zwar zu Frankreichs Gunsten verlaufen, er endete für die bayerischen Truppen jedoch vorzeitig mit der Schlacht bei Höchstädt, in der Bayerns und Frankreichs Truppen den Alliierten unterlagen. Für Frankreich bedeutete die Schlacht einen Einschnitt, für den kleineren Partner Bayern das militärische Aus. Max Emanuel wurde in die Reichsacht gelegt und begab sich unter französischer Protektion nach Brüssel, wo er bereits in den 1690ern als Statthalter der Spanischen Niederlande residierte.
Der Spanische Erbfolgekrieg (1702-1712) sollte letzten Endes zwar zu Frankreichs Gunsten verlaufen, er endete für die bayerischen Truppen jedoch vorzeitig mit der Schlacht bei Höchstädt, in der Bayerns und Frankreichs Truppen den Alliierten unterlagen. Für Frankreich bedeutete die Schlacht einen Einschnitt, für den kleineren Partner Bayern das militärische Aus. Max Emanuel wurde in die Reichsacht gelegt und begab sich unter französischer Protektion nach Brüssel, wo er bereits in den 1690ern als Statthalter der Spanischen Niederlande residierte.
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=== Die ersten Aufstände ===
=== Die ersten Aufstände ===
Die Bedingungen, die Kaiser Leopold I. der bayerischen Kurfürstin im Vertrag von Ilbesheim zu Beginn des Machtvakuums gewährte, waren großzügig. Unter anderem blieb München unter ihrer unmittelbaren Herrschaft. Leopold I. wollte mit dieser Politik zeitraubende Kämpfe mit den Garnisonen in den bayerischen Städten vermeiden. Im Frühjahr 1705 verstarb jedoch Leopold I. und sein Sohn und Nachfolger Joseph I. ließ das bayerische Oberland und die Residenzstadt München besetzen. Er ließ außerdem die Steuern drastisch erhöhen und quartierte Truppen ein. Im Herbst 1705 wurde eine Zwangsaushebung im ganzen Kurfürstentum angeordnet. Die Soldaten der kaiserlichen Administrationen gingen bei der Rekrutierung und dem Eintreiben von Versorgungsleistungen äußerst brutal vor, worunter vor allem die Landbevölkerung zu leiden hatte.
Die Bedingungen, die Kaiser Leopold I. der bayerischen Kurfürstin im Vertrag von Ilbesheim zu Beginn des Machtvakuums gewährte, waren großzügig. Unter anderem blieb München unter ihrer unmittelbaren Herrschaft. Leopold I. wollte mit dieser Politik zeitraubende Kämpfe mit den Garnisonen in den bayerischen Städten vermeiden. Im Frühjahr 1705 verstarb jedoch Leopold I. und sein Sohn und Nachfolger Joseph I. ließ das bayerische Oberland und die Residenzstadt München besetzen. Er ließ außerdem die Steuern drastisch erhöhen und quartierte Truppen ein. Im Herbst 1705 wurde eine Zwangsaushebung im ganzen Kurfürstentum angeordnet. Die Soldaten der kaiserlichen Administrationen gingen bei der Rekrutierung und dem Eintreiben von Versorgungsleistungen äußerst brutal vor, worunter vor allem die Landbevölkerung zu leiden hatte.


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=== Die ersten Erfolge des Aufstands und das Braunauer Parlament ===
=== Die ersten Erfolge des Aufstands und das Braunauer Parlament ===
 
Mit der Ausbreitung der Revolten übernahmen verstärkt Offiziere, Adlige, Beamte und Handwerker die Führung der Aufständischen und gaben den Umsturzbestrebungen das Ziel der Übernahme der Rentämter Bayerns. Zunächst wurde Burghausen belagert, das sich am 16. Dezember 1705 den Aufständischen ergab, genauso wie kurz darauf Braunau. Diese beiden Städte wurden damit zu den militärischen und politischen Zentren der Aufstandsbewegung. Hier entstand auch das erste demokratische Gebilde des neuzeitlichen Europa, die sogenannte ''Gmein der Bürger und Bauern'' bzw. das „Braunauer Parlament".
Mit der Ausbreitung der Revolten übernahmen verstärkt Offiziere, Adlige, Beamte und Handwerker die Führung der Aufständischen und gaben den Umsturzbestrebungen das Ziel der Übernahme der Rentämter Bayerns. Zunächst wurde Burghausen belagert, das sich am 16. Dezember 1705 den Aufständischen ergab, genauso wie kurz darauf Braunau. Diese beiden Städte wurden damit zu den militärischen und politischen Zentren der Aufstandsbewegung. Hier entstand auch das erste demokratische Gebilde des neuzeitlichen Europa, die sogenannte Gmein der Bürger und Bauern bzw. das „Braunauer Parlament".


Nach diesen beiden Niederlagen versuchten die kaiserlichen Besatzer in Waffenstillstandsverhandlungen mit den Aufständischen zu treten, die eine Delegation unter Freiherr [[Franz Bernhard von Prielmayr]] nach München entsandten. Währenddessen eroberten die Aufständischen die Städte Schärding und Kelheim. Die inzwischen im Ort Anzing bei München abgehaltenen Verhandlungen ergaben einen zehntägigen Waffenstillstand.
Nach diesen beiden Niederlagen versuchten die kaiserlichen Besatzer in Waffenstillstandsverhandlungen mit den Aufständischen zu treten, die eine Delegation unter Freiherr [[Franz Bernhard von Prielmayr]] nach München entsandten. Währenddessen eroberten die Aufständischen die Städte Schärding und Kelheim. Die inzwischen im Ort Anzing bei München abgehaltenen Verhandlungen ergaben einen zehntägigen Waffenstillstand.


== Die Münchener Verschwörung ==
== Die Münchener Verschwörung ==
Die Zeit des Waffenstillstands nutzten die Aufständischen, im Besonderen Matthias Ägidius Fuchs und [[Georg Sebastian Plinganser]], zur Ausarbeitung eines Plans, wie die kaiserliche Besatzungsmacht aus München vertrieben werden könnte. Die kaiserlichen Soldaten sollten im Norden Bayerns durch Aufstände gebunden werden, um sie so im Südosten umgehen zu können und in einem Sternmarsch auf München zu marschieren. Zeitgleich sollte die ehemalige Münchner Bürgerwehr die Revolutionäre innerhalb der [[Stadtmauer]] unterstützen. Man beschloss, sich nicht an den Waffenstillstand zu halten und mit der Aktion so schnell wie möglich zu beginnen.


Die Zeit des Waffenstillstands nutzten die Aufständischen, im Besonderen [[Matthias Ägidius Fuchs]] und [[Georg Sebastian Plinganser]], zur Ausarbeitung eines Plans, wie die kaiserliche Besatzungsmacht aus München vertrieben werden könnte. Die kaiserlichen Soldaten sollten im Norden Bayerns durch Aufstände gebunden werden, um sie so im Südosten umgehen zu können und in einem Sternmarsch auf München zu marschieren. Zeitgleich sollte die ehemalige Münchener Bürgerwehr die Revolutionäre innerhalb der Stadtmauer unterstützen. Man beschloss, sich nicht an den Waffenstillstand zu halten und mit der Aktion so schnell wie möglich zu beginnen.
Die Münchner Verschwörer unter der Führung von Johann Jäger begannen umgehend mit den Vorbereitungen, während Fuchs die Aufständischen im Oberland mobilisierte. Am 19. Dezember 1705 rief Fuchs im ''Tölzer Patent'' alle Oberländer dazu auf, sich zu bewaffnen und sich bis zum 22. Dezember im [[Kloster Schäftlarn]] zu versammeln.  
 
Die Münchener Verschwörer unter der Führung von [[Johann Jäger]] begannen umgehend mit den Vorbereitungen, während Fuchs die Aufständischen im Oberland mobilisierte. Am 19. Dezember 1705 rief Fuchs im ''Tölzer Patent'' alle Oberländer dazu auf, sich zu bewaffnen und sich bis zum 22. Dezember im [[Kloster Schäftlarn]] zu versammeln. <br>


In diesem Tölzer Patent wurde behauptet, dass die kurfürstlichen Prinzen, die noch in München lebten, nach Österreich entführt werden sollten, was Fuchs durch ein gefälschtes Schreiben zu belegen versuchte. Zudem behauptete er, der Kurfürst Max Emmanuel würde den Aufstand mittragen und so bald wie möglich zu den Revolutionären stoßen. Das Tölzer Patent diente vor allem dazu, patriotische Gefühle anzusprechen und eventuelle Legitimitätsbedenken auszuräumen. Wo dieser Appell an die Heimatliebe und Untertanentreue zur Mobilisierung des Volkes nicht ausreichte, half man mit Druck und Zwang nach. So drohte [[Johann Christoph Kyrein]], Bürgermeister von Tölz, seinen Bürgern mit dem Entzug der Bürgerrechte, sollten sie sich dem Aufstand verweigern; im gesamten Land wurden Bauern vor die schwere Wahl gestellt, entweder ihre Söhne und Knechte mit den aufständischen Truppen ziehen oder ihre Höfe in Schutt und Asche legen zu lassen.
In diesem Tölzer Patent wurde behauptet, dass die kurfürstlichen Prinzen, die noch in München lebten, nach Österreich entführt werden sollten, was Fuchs durch ein gefälschtes Schreiben zu belegen versuchte. Zudem behauptete er, der Kurfürst Max Emmanuel würde den Aufstand mittragen und so bald wie möglich zu den Revolutionären stoßen. Das Tölzer Patent diente vor allem dazu, patriotische Gefühle anzusprechen und eventuelle Legitimitätsbedenken auszuräumen. Wo dieser Appell an die Heimatliebe und Untertanentreue zur Mobilisierung des Volkes nicht ausreichte, half man mit Druck und Zwang nach. So drohte [[Johann Christoph Kyrein]], Bürgermeister von Tölz, seinen Bürgern mit dem Entzug der Bürgerrechte, sollten sie sich dem Aufstand verweigern; im gesamten Land wurden Bauern vor die schwere Wahl gestellt, entweder ihre Söhne und Knechte mit den aufständischen Truppen ziehen oder ihre Höfe in Schutt und Asche legen zu lassen.
Am 21. Dezember 1705 fanden sich insgesamt 2.769 Mann Fußvolk und etwa 300 Reiter mit völlig unzureichender Ausrüstung und Bewaffnung im [[Kloster Schäftlarn]] ein. Auch in München liefen letzte Vorbereitungen; Raketensignale sollten den Aufständischen außerhalb der Stadtmauern die Bereitschaft der Münchener anzeigen. Doch nun kam es zu ernsten Problemen: Der Verbindungsmann zwischen Ober- und Unterland, der Anzinger Postmeister [[Franz Kaspar Hierner]] erschien nicht zum vereinbarten Treffen in München, die Verbindung zum Unterland war damit abgebrochen. Zudem musste sich der Anführer der Münchener Aufständischen, Jäger, der in München bereits durch die kaiserliche Administration überwacht wurde, zu den Oberländern absetzen. Hinzu kam noch, dass einige Städte und Gemeinden, die bereits Unterstützung der Aufstände zugesichert hatten, diese aus Angst vor Repressalien widerriefen.
Am 21. Dezember 1705 fanden sich insgesamt 2.769 Mann Fußvolk und etwa 300 Reiter mit völlig unzureichender Ausrüstung und Bewaffnung im Kloster Schäftlarn ein. Auch in München liefen letzte Vorbereitungen; Raketensignale sollten den Aufständischen außerhalb der Stadtmauern die Bereitschaft der Münchener anzeigen. Doch nun kam es zu ernsten Problemen: Der Verbindungsmann zwischen Ober- und Unterland, der Anzinger Postmeister [[Franz Kaspar Hierner]] erschien nicht zum vereinbarten Treffen in München, die Verbindung zum Unterland war damit abgebrochen. Zudem musste sich der Anführer der Münchener Aufständischen, Jäger, der in München bereits durch die kaiserliche Administration überwacht wurde, zu den Oberländern absetzen. Hinzu kam noch, dass einige Städte und Gemeinden, die bereits Unterstützung der Aufstände zugesichert hatten, diese aus Angst vor Repressalien widerriefen.


== Der Marsch auf München ==
== Der Marsch auf München ==
 
Am Heiligen Abend gegen Mittag begannen die Aufständischen ihren Marsch auf München. In [[Solln]] erhielten sie die nächste schlechte Nachricht: Die Münchener Verbündeten würden die geplanten Aktionen nicht mehr wie besprochen durchführen können. Die kaiserlichen Besatzer hatten die Truppen verstärkt und Soldaten patrouillierten in der Stadt. Rückzugswünsche wurden jedoch mit Gewalt unterdrückt, die Aufständischen sollten weiter auf München zumarschieren. Gegen Mitternacht erreichte der Tross der Oberländer [[Sendling]], wo das Kommando im örtlichen Wirtshaus Stellung bezog, während das gemeine Volk in eisiger Winternacht im Freien campierte. Die Unterländer standen währenddessen mit etwa 16.000 Mann bei {{WL2|Zorneding}} in der Nähe von [[Ebersberg]], wo sie von kaiserlichen Truppen am Weitermarsch gehindert wurden. Die kaiserlichen Besatzer waren, angeblich durch Verrat des Starnberger Pflegers Johann Joseph Öttlinger, inzwischen längst über die geplante Aktion der Revolutionäre im Bilde.
Am Heiligen Abend gegen Mittag begannen die Aufständischen ihren Marsch auf München. In [[Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln|Solln]] erhielten sie die nächste schlechte Nachricht: Die Münchener Verbündeten würden die geplanten Aktionen nicht mehr wie besprochen durchführen können. Die kaiserlichen Besatzer hatten die Truppen verstärkt und Soldaten patrouillierten in der Stadt. Rückzugswünsche wurden jedoch mit Gewalt unterdrückt, die Aufständischen sollten weiter auf München zumarschieren. Gegen Mitternacht erreichte der Tross der Oberländer [[Sendling]], wo das Kommando im örtlichen Wirtshaus Stellung bezog, während das gemeine Volk in eisiger Winternacht im Freien kampierte. Die Unterländer standen währenddessen mit etwa 16.000 Mann bei {{WL2|Zorneding}} in der Nähe von [[Ebersberg]], wo sie von kaiserlichen Truppen am Weitermarsch gehindert wurden. Die kaiserlichen Besatzer waren, angeblich durch Verrat des Starnberger Pflegers [[Johann Joseph Öttlinger]], inzwischen längst über die geplante Aktion der Revolutionäre im Bilde.


== Der Angriff und das Massaker an den Aufständischen ==
== Der Angriff und das Massaker an den Aufständischen ==
Die Oberländer teilten ihren Tross nun in drei Gruppen: Leicht- und Unbewaffnete sollten in Sendling bleiben, während die anderen beiden Gruppen sich vor [[Angertor]] und [[Roter Turm|Rotem Turm]] postierten. Die Münchener Verbündeten sollten die Stadttore um ein Uhr früh des 25. Dezembers öffnen, was aber nicht geschah. Dennoch konnte zunächst unter der Führung von [[Johann Georg Aberle]] der Rote Turm fast kampflos erobert werden, die Besatzer zogen sich auf das dahinterliegende, stärker befestigte und leichter zu verteidigende [[Isartor]] zurück, an dem die Revolutionäre dann auch scheiterten. Sie wurden in der Folge sogar wieder hinter den Roten Turm zurückgedrängt, wo sie sich verbarrikadierten. Im Morgengrauen wurden die Volkstruppen aus Osten, von der stadtabgewandten Seite her, durch kaiserliche Truppen angegriffen und aufgerieben.  
Die Oberländer teilten ihren Tross nun in drei Gruppen: Leicht- und Unbewaffnete sollten in Sendling bleiben, während die anderen beiden Gruppen sich vor [[Angertor]] und [[Roter Turm|Rotem Turm]] postierten. Die Münchener Verbündeten sollten die Stadttore um ein Uhr früh des 25. Dezembers öffnen, was aber nicht geschah. Dennoch konnte zunächst unter der Führung von [[Johann Georg Aberle]] der Rote Turm fast kampflos erobert werden, die Besatzer zogen sich auf das dahinterliegende, stärker befestigte und leichter zu verteidigende [[Isartor]] zurück, an dem die Revolutionäre dann auch scheiterten. Sie wurden in der Folge sogar wieder hinter den Roten Turm zurückgedrängt, wo sie sich verbarrikadierten. Im Morgengrauen wurden die Volkstruppen aus Osten, von der stadtabgewandten Seite her, durch kaiserliche Truppen angegriffen und aufgerieben.  


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Unterdessen hatte die kaiserliche Administration in München einige Untersuchungen über die Entstehung des Aufstandes durchgeführt. Als Ergebnis dieser Untersuchungen wurde am 28. Dezember eine Generalamnestie für einfache Aufstandsteilnehmer verkündet, zugleich suchte man intensiv nach noch flüchtigen Rädelsführern und verhängte empfindliche Geldbußen gegen die beteiligten Grundherrschaften und Marktgemeinden. Eine Untersuchungskommission begann die Gefangenen zu verhören, deren Aussagen führten zu einer breiten Verhaftungswelle. Kurz darauf wurden die ersten Urteile verkündet und vollstreckt: Die Leutnants Clanze und Aberle und die Münchner Bürger Küttler und Senser wurden am 29. Januar 1706 auf dem Münchner ''Schrannenplatz'' (heute [[Marienplatz]]) enthauptet, die beiden letzteren zusätzlich gevierteilt. Gleiches widerfuhr am 17. März dem Gastwirt Johann Jäger. Ignaz Haid und Hauptmann Mayer blieben bis zur Rückkehr des Kurfürsten 1715 in Haft. Die beteiligten Beamten wurden ihrer Ämter enthoben und eine große Zahl von Personen mit Geldstrafen belegt. Einigen wenigen Revolutionären gelang die Flucht: Hierner, Hallmayr, Schöttl und Engelhart sowie die Pflegrichter Dänkel, Alram, Schmid und Eder konnten entkommen, Kriegskommisär Fuchs, Leutnant Houis und Hauptmann Gauthier gelang es sogar, sich bis nach Brüssel zum Kurfürsten durchzuschlagen.
Unterdessen hatte die kaiserliche Administration in München einige Untersuchungen über die Entstehung des Aufstandes durchgeführt. Als Ergebnis dieser Untersuchungen wurde am 28. Dezember eine Generalamnestie für einfache Aufstandsteilnehmer verkündet, zugleich suchte man intensiv nach noch flüchtigen Rädelsführern und verhängte empfindliche Geldbußen gegen die beteiligten Grundherrschaften und Marktgemeinden. Eine Untersuchungskommission begann die Gefangenen zu verhören, deren Aussagen führten zu einer breiten Verhaftungswelle. Kurz darauf wurden die ersten Urteile verkündet und vollstreckt: Die Leutnants Clanze und Aberle und die Münchner Bürger Küttler und Senser wurden am 29. Januar 1706 auf dem Münchner ''Schrannenplatz'' (heute [[Marienplatz]]) enthauptet, die beiden letzteren zusätzlich gevierteilt. Gleiches widerfuhr am 17. März dem Gastwirt Johann Jäger. Ignaz Haid und Hauptmann Mayer blieben bis zur Rückkehr des Kurfürsten 1715 in Haft. Die beteiligten Beamten wurden ihrer Ämter enthoben und eine große Zahl von Personen mit Geldstrafen belegt. Einigen wenigen Revolutionären gelang die Flucht: Hierner, Hallmayr, Schöttl und Engelhart sowie die Pflegrichter Dänkel, Alram, Schmid und Eder konnten entkommen, Kriegskommisär Fuchs, Leutnant Houis und Hauptmann Gauthier gelang es sogar, sich bis nach Brüssel zum Kurfürsten durchzuschlagen.
Parallel dazu machte sich die kaiserliche Administration in München an die endgültige Niederwerfung des Aufstandes. Am 1. Januar 1706 begann Generalwachtmeister von Kriechbaum über Neumarkt und Eggenfelden einen weiteren Vorstoß in Richtung Vilshofen. Am 8. Januar traf er bei Aidenbach auf ein etwa 4.000 Mann starkes Bauernheer, das unter hohen eigenen Verlusten mit geschätzt etwa 2.000 Gefallenen vollständig zerrieben wurde. Mit der Niederlage von Aidenbach war die Widerstandskraft der Revolutionäre endgültig gebrochen. Am 13. Januar wurde Schärding, am 16. Cham, am 17. Braunau am Inn den Kaiserlichen übergeben und am 18. Januar 1706 kapitulierte Burghausen als letzte Stadt, die sich noch in der Hand der Landesdefension befand. Die Volkserhebung, deren Höhe- und Wendepunkt die Schlacht von Sendling bedeutete, war damit niedergeschlagen. Doch trotz des vollständigen Zusammenbruchs des Aufstandes wählte die kaiserliche Verwaltung in der Folge einen moderateren Kurs, die Zwangsrekrutierungen wurden eingestellt und die Steuerforderungen gesenkt, so dass sich Bayern in den noch folgenden neun Jahren unter kaiserlicher Herrschaft zumindest in bescheidenem Maße wieder erholen konnte.
Parallel dazu machte sich die kaiserliche Administration in München an die endgültige Niederwerfung des Aufstandes. Am 1. Januar 1706 begann Generalwachtmeister von Kriechbaum über Neumarkt und Eggenfelden einen weiteren Vorstoß in Richtung Vilshofen. Am 8. Januar traf er bei Aidenbach auf ein etwa 4.000 Mann starkes Bauernheer, das unter hohen eigenen Verlusten mit geschätzt etwa 2.000 Gefallenen vollständig zerrieben wurde. Mit der Niederlage von Aidenbach war die Widerstandskraft der Revolutionäre endgültig gebrochen. Am 13. Januar wurde Schärding, am 16. Cham, am 17. Braunau am Inn den Kaiserlichen übergeben und am 18. Januar 1706 kapitulierte Burghausen als letzte Stadt, die sich noch in der Hand der Landesdefension befand. Die Volkserhebung, deren Höhe- und Wendepunkt die Schlacht von Sendling bedeutete, war damit niedergeschlagen. Doch trotz des vollständigen Zusammenbruchs des Aufstandes wählte die kaiserliche Verwaltung in der Folge einen moderateren Kurs, die Zwangsrekrutierungen wurden eingestellt und die Steuerforderungen gesenkt, so dass sich Bayern in den noch folgenden neun Jahren unter kaiserlicher Herrschaft zumindest in bescheidenem Maße wieder erholen konnte.


== Nachwirkung ==
== Nachwirkung ==
=== Die Geschehnisse nach der Sendlinger Mordweihnacht ===
=== Die Geschehnisse nach der Sendlinger Mordweihnacht ===
Nach der letzten militärischen Auseinandersetzung zwischen den Aufständischen und den kaiserlichen Truppen brach der bayerische Widerstand vollständig zusammen. Innerhalb von nur drei Wochen waren auf bayerischer Seite insgesamt knapp 10.000 Opfer zu verzeichnen.
Nach der letzten militärischen Auseinandersetzung zwischen den Aufständischen und den kaiserlichen Truppen brach der bayerische Widerstand vollständig zusammen. Innerhalb von nur drei Wochen waren auf bayerischer Seite insgesamt knapp 10.000 Opfer zu verzeichnen.


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=== Gedenken und heutige Wirkung ===
=== Gedenken und heutige Wirkung ===
Von den Leichen der in der Sendlinger Mordweihnacht getöteten Aufständischen wurden auf dem alten Sendlinger Friedhof schätzungsweise ein- bis zweihundert und bis zu 800 auf dem [[Alter Südfriedhof|alten südlichen Friedhof]], einem Pestfriedhof vor den Toren der Stadt in der Nähe Sendlings begraben. Heute erinnern auf beiden Friedhöfen Denkmäler an die Opfer des bayerischen Aufstands.  
Von den Leichen der in der Sendlinger Mordweihnacht getöteten Aufständischen wurden auf dem alten Sendlinger Friedhof schätzungsweise ein- bis zweihundert und bis zu 800 auf dem [[Alter Südfriedhof|alten südlichen Friedhof]], einem Pestfriedhof vor den Toren der Stadt in der Nähe Sendlings begraben. Heute erinnern auf beiden Friedhöfen Denkmäler an die Opfer des bayerischen Aufstands.  
* Siehe auch [[Alter_Südfriedhof#Geschichte|Denkmal und Grab auf dem Alten Südfriedhof]]
* Siehe auch [[Alter_Südfriedhof#Geschichte|Denkmal und Grab auf dem Alten Südfriedhof]]
Das klassizistische Denkmal auf dem alten Sendlinger Friedhof stammt aus dem Jahr 1830. Für den Südfriedhof hatte der Mundartforscher [[Johann Schmeller]] 1818 erstmals angeregt, in Erinnerung an die Sendlinger Mordweihnacht ein Denkmal zu errichten. Dort befand sich in der Nähe der südlichen Friedhofsmauer ein großer, verwahrloster Grabhügel ohne Grabmal, unter dem nach der Überlieferung mehr als 500 Opfer der Bauernschlacht begraben sein sollten. Ein erster Entwurf für das Denkmal von [[Franz Jakob Schwanthaler]] dem Älteren wurde vom königlichen Hofarchitekten [[Friedrich von Gärtner]] überarbeitet. König [[Ludwig I.]] spendete eine 234 kg schwere Kanone, die zu einer sechzehneckigen Brunnenwanne umgearbeitet wurde. Am 1. November 1831 wurde das Denkmal unter großer Anteilnahme der Bevölkerung feierlich enthüllt.  
Das klassizistische Denkmal auf dem alten Sendlinger Friedhof stammt aus dem Jahr 1830. Für den Südfriedhof hatte der Mundartforscher [[Johann Schmeller]] 1818 erstmals angeregt, in Erinnerung an die Sendlinger Mordweihnacht ein Denkmal zu errichten. Dort befand sich in der Nähe der südlichen Friedhofsmauer ein großer, verwahrloster Grabhügel ohne Grabmal, unter dem nach der Überlieferung mehr als 500 Opfer der Bauernschlacht begraben sein sollten. Ein erster Entwurf für das Denkmal von [[Franz Jakob Schwanthaler]] dem Älteren wurde vom königlichen Hofarchitekten [[Friedrich von Gärtner]] überarbeitet. König [[Ludwig I.]] spendete eine 234 kg schwere Kanone, die zu einer sechzehneckigen Brunnenwanne umgearbeitet wurde. Am 1. November 1831 wurde das Denkmal unter großer Anteilnahme der Bevölkerung feierlich enthüllt.  


Gegenüber der alten Kirche [[Alte Pfarrkirche St. Margaret|St. Margaret]] auf der anderen Seite der [[Lindwurmstraße]] steht ein Denkmal für den sagenhaften Schmied von Kochel, der der Legende nach als letzter der Aufständischen fiel. Initiiert hatte das Monument mit Brunnen 1904 der Archivrat [[Ernst von Destouches]], die Grundsteinlegung erfolgte 1905 bei der 200-Jahr-Gedenkfeier in Anwesenheit des [[Prinzregent Luitpold|Prinzregenten Luitpold]]. Die Plastik wurde von [[Carl Ebbinghaus]] gestaltet, die Architektur von [[Carl Sattler]]. Eingeweiht wurde das fertig gestellte Denkmal 1911.
Gegenüber der alten Kirche [[Alte Pfarrkirche St. Margaret|St. Margaret]] auf der anderen Seite der [[Lindwurmstraße]] steht ein Denkmal für den sagenhaften [[Schmied von Kochel]], der der Legende nach als letzter der Aufständischen fiel. Initiiert hatte das Monument mit Brunnen 1904 der Archivrat [[Ernst von Destouches]], die Grundsteinlegung erfolgte 1905 bei der 200-Jahr-Gedenkfeier in Anwesenheit des [[Prinzregent Luitpold|Prinzregenten Luitpold]]. Die Plastik wurde von [[Carl Ebbinghaus]] gestaltet, die Architektur von [[Carl Sattler]]. Eingeweiht wurde das fertig gestellte Denkmal 1911.


Bis heute finden alljährlich im Dezember an verschiedenen Orten (u. a. in Sendling, Bad Tölz, Kochel am See und Waakirchen) Gedenkveranstaltungen zur Sendlinger Mordweihnacht statt.
Bis heute finden alljährlich im Dezember an verschiedenen Orten (u. a. in Sendling, Bad Tölz, Kochel am See und Waakirchen) Gedenkveranstaltungen zur Sendlinger Mordweihnacht statt.
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== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Hubert Dorn]]: ''Die Schlacht von Sendling 1705. Chronologie einer bayerischen Tragödie.'' Buchendorfer Verlag, München 2005. ISBN 3-934036-94-5
* Hubert Dorn: ''Die Schlacht von Sendling 1705. Chronologie einer bayerischen Tragödie.'' Buchendorfer Verlag, München 2005. ISBN 3-934036-94-5
* Ludwig Hollweck (Hrsg.): ''Die Sendlinger Mordweihnacht anno 1705. Relation über die Münchnerische Metten, so die rebellischen Bauren denen Kayserlichen zu singen vorgehabt den 25. Dezember 1705. Der Bayerischen Rebellen Rädelsführer Erste Execution, Lohn und Warnung 1706.'' München 1980 (Nachdruck). 12 Blatt mit Abbildungen
* Ludwig Hollweck (Hrsg.): ''Die Sendlinger Mordweihnacht anno 1705. Relation über die Münchnerische Metten, so die rebellischen Bauren denen Kayserlichen zu singen vorgehabt den 25. Dezember 1705. Der Bayerischen Rebellen Rädelsführer Erste Execution, Lohn und Warnung 1706.'' München 1980 (Nachdruck). 12 Blatt mit Abbildungen
* [[August Kühn]]: ''Der Bayerische Aufstand 1705. Sendlinger Mordweihnacht.'' München 1995. 159 Seiten mit Abbildungen
* August Kühn: ''Der Bayerische Aufstand 1705. Sendlinger Mordweihnacht.'' München 1995. 159 Seiten mit Abbildungen
* [[Christian Probst]]: ''Lieber bayrisch sterben. Der bayrische Volksaufstand der Jahre 1705 und 1706.'' Süddeutscher Verlag, München 1978. 477 Seiten mit Abbildungen ISBN 3-7991-5970-3
* Christian Probst: ''Lieber bayrisch sterben. Der bayrische Volksaufstand der Jahre 1705 und 1706.'' Süddeutscher Verlag, München 1978. 477 Seiten mit Abbildungen ISBN 3-7991-5970-3
* [[Henric L. Wuermeling]]: ''Die Sendlinger Mordweihnacht 1705 – die erste europäische Revolution.'' München 1985. 314 Seiten mit Abbildungen
* Henric L. Wuermeling: ''Die Sendlinger Mordweihnacht 1705 – die erste europäische Revolution.'' München 1985. 314 Seiten mit Abbildungen


==Weblinks==
==Weblinks==
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{{Wikipedia}}
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[[Kategorie:Sendling]]
[[Kategorie:Sendling]]
[[Kategorie:Geschichte]]
[[Kategorie:Geschichte]]
[[Kategorie:Südfriedhof]]
[[Kategorie:Südfriedhof]]
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